BR-KLASSIK

Inhalt

Ludwig van Beethoven Klaviersonate Nr. 28 A-Dur, op. 101

Seine politischen Ideale sind geplatzt und der Verlust seines Gehörs macht ihm mehr und mehr zu schaffen. Durch diese Lebenskrise findet Ludwig van Beethoven jedoch zu neuen Wegen in seiner Musik. Er schert sich nicht mehr um Konventionen und lässt seinen ganz persönlichen Empfindungen freien Lauf. Am Beginn von Beethovens Spätwerk steht im Jahr 1816 die Klaviersonate in A-Dur op. 101. Florian Heurich hat sich mit dem Pianisten Igor Levit über dieses Stück unterhalten, das einen Ausweg aus Beethovens Krise aufzeigt und am Ende das Leben feiert.

Bildquelle: picture-alliance/dpa

Das Starke Stück zum Anhören

Bereits der Anfang von Beethovens Klaviersonate op. 101 ist kühn. Eigentlich ist es gar kein richtiger Anfang, sondern lediglich das plötzliche Ertönen einer Melodie. Beethoven lässt die Sonate auch nicht in der Grundtonart A-Dur beginnen, wie zu erwarten wäre, sondern auf der Dominante - Ausdruck einer vorher kaum gekannten formalen Freiheit. "Ich habe einfach, wenn ich am Flügel sitze, das Gefühl, der Satz läuft schon ganz lange, und ich darf einfach mittendrin einsteigen", beschreibt der Pianist Igor Levit diesen musikalischen Moment. "Er beginnt quasi aus dem Nichts, wie ein Hauch, wie ein aus der Unendlichkeit kommendes Gesangsstück. Sehr, sehr bemerkenswert."

Podcast

"Das starke Stück - Musiker erklären Meisterwerke" gibt es auch als Podcast: Jetzt abonnieren!

Brüche und radikale Umschwünge

Das Werk leitet Beethovens letzte Schaffensphase ein, eine Phase, in der er neue Wege geht, sich keinen Zwängen mehr unterordnet und sich vor allem von der ganz intensiven, subjektiven Emotion leiten lässt. Die A-Dur-Sonate ist die erste der sogenannten späten Klaviersonaten Beethovens. Es handelt sich bei diesen Sonaten um Werke voller Brüche und radikaler Umschwünge - unkonventionell in ihrer Widersprüchlichkeit, die doch irgendwie ihre Folgerichtigkeit hat. "Sie sind gleichzeitig im Grunde genommen eine alternativlose Konsequenz dieses Weges der vergangenen 27 Sonaten, und auf der anderen Seite sind sie dann doch ein solcher Meilenstein, dem ein Vergleich nicht gerecht wird", erklärt Igor Levit. "Schon dieser erste Satz hat ja seine Brüche. Und es geht immer zur Sache. Manchmal passieren diese ungeheuren emotionalen Brüche innerhalb von Sekunden. Es geht von Schwarz zu Weiß, von schnell zu langsam, von wütend zu friedvoll. Und all dies innerhalb von Takten."

Menschliches und Transzendentes

Pianist Igor Levit | Bildquelle: © Felix Broede Igor Levit | Bildquelle: © Felix Broede Vom lyrisch verträumten ersten Satz zum energischen, geerdeten Marsch des zweiten: Die Intensität, mit der sich die Emotionen wandeln, ist bemerkenswert in dieser Sonate, die dabei doch ganz ohne falsches Pathos auskommt. Voller Subtilität schildert Beethoven in diesem Stück zutiefst Menschliches und Transzendentes zugleich. Ganz besonders gilt dies für den dritten Satz, in dem nach Depression und Todesnähe das Thema des Beginns wieder aufgegriffen wird. "Dies ist ein Moment, der uns wieder ins Leben zurückführt - in etwas sehr Warmes und Reales", beschreibt Igor Levit diese Stelle. "Hier hilft Beethoven uns aus einer Art Ausweglosigkeit hinaus, und dies auf unglaublich bewegende Art und Weise. Und dieser Moment am Ende, wenn dieser erste Satz wiederkommt, vollkommen unerwartet, in einer Schwerelosigkeit, dass es einem fast den Atem raubt: Ja wie soll man das interpretieren? Ich kann so viel daran arbeiten, wie ich will, am Ende leitet mich dann der Moment. Das Publikum, der Raum, die Form, die Gedanken, die Gefühle. Und kaum ist dieser Moment vorbei, schon beginnt der unglaubliche letzte Satz."

Diese Sonate ist einfach ein menschliches Wunderwerk.
Igor Levit

Am Ende triumphiert das Leben. Voller Witz, Humor und Freude feiert Beethoven hier ein großes Fest. Dieses absolut diesseitige Finale hat aber auch seine ganz realen Tücken, erklärt Igor Levit: "Der zweite Satz ist teilweise wahnsinnig unangenehm zu spielen, aber der letzte liegt zum Teil regelrecht ekelhaft. Diese Fuge in der Mitte ist einfach sehr verquer geschrieben: Sprünge, unangenehme Läufe, unangenehme Akkordballungen. Das trifft auf den ganzen Satz zu. Es ist einfach sehr, sehr unangenehm. Und dementsprechend schleichen sich gelegentlich sogenannte improvisatorische Elemente hinein. Das passiert schon mal. Aber nichtsdestoweniger ist diese Sonate einfach ein menschliches Wunderwerk."

Musik-Info

Ludwig van Beethoven: Klaviersonate Nr. 28 A-Dur, op. 101

Igor Levit (Klavier)
Label: Sony Classical

Sendung in "Das starke Stück" am 25. April 2017, 19.05 Uhr auf BR-KLASSIK

Mehr zu Beethoven

    AV-Player