Das Quartett op. 12 gehört zu den frühen Streichquartetten Felix Mendelssohn Bartholdys. Entstanden im Jahr 1829 setzt sich der 20-jährige Felix darin mit den späten Quartetten Beethovens auseinander, der erst zwei Jahr zuvor gestorben war.
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"Quartett aus B. P.-Dur" - so nannte der eingeweihte Freundeskreis Felix' Streichquartett op. 12. "B.P.": Diese Initialen standen für Betty Pistor. Betty war die Tochter der Berliner Nachbarsfamilie in der Leipziger Strasse und Mitglied in Carl Friedrich Zelters Berliner Singakademie. Außerdem waren sie und Felix' jüngere Schwester Rebekka befreundet, und deshalb ging Betty im Hause Mendelssohn ein und aus. Felix verehrte das Mädchen und widmete ihr das Streichquartett in Es-Dur.
Ob Betty anwesend war, als das ihr gewidmete Quartett uraufgeführt wurde? Der 20-jährige Felix hatte das Quartett über weite Strecken auf seiner ersten Englandreise 1829 komponiert, die ihn durch das Königreich bis nach Schottland und wieder zurück nach London führte, wo er das Quartett am 14. September 1829 beendete.
Bei seiner Rückkehr nach Berlin im Dezember 1928 hatte er auch das fertige Es-Dur-Quartett mit im Gepäck, das in einem der folgenden Sonntagskonzerte aufgeführt wurde: Salon, Konzertsaal, Kaffeehaus, Treffpunkt der geistigen Elite Berlins – all das war das Haus der Familie Mendelssohn in der Leipzigerstrasse 3.
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Musikalisch bezieht sich Mendelssohn in seinem op.12 auf die Beethovenschen Quartette. Vor allem die langsame Einleitung lässt die Auseinandersetzung mit Beethovens Quartett op. 74 erkennen. Wie eine Visitenkarte stellt er das Thema vor, verarbeitet dies jedoch nicht wie in Beethoven-Manier, sondern entwickelt daraus bereits seine eigene Melodieführung. "Wenn man ihn mit Beethoven vergleicht, so sieht man, dass Beethoven sehr motivisch arbeitete und ihm ein kleines Thema reichte, um es in der Durchführung weiter zu bearbeiten", meint die Bratscherin Monika Hentschel. Das sei etwas, was bei Mendelssohn nicht der Fall ist. "Man findet Dinge, die an Beethovens op. 74 erinnern, aber die Arbeit selbst, wie er damit umgeht, dass ist ganz 'unbeethovensch', das ist ganz Mendelssohn."
Mit der Leichtigkeit und dem Schuss jugendlichen "Verliebtseins" komponiert, setzte doch kurze Zeit später die Realität der Schwärmerei ein jähes Ende. Am 13. April 1830 schreibt Felix enttäuscht an seinen Freund Ferdinand David, den Konzertmeister des Leipziger Gewandhausorchesters:
"Willst du Neuigkeiten von Berlin wissen? (...) Höre und erschrick, Betty Pistor ist verlobt. Fatal verlobt. Sie gehört dem jungen Dr. und Prof. jur. Rudorff erb- und eigenthümlich zu ... Ich beauftrage dich, sobald du durch Berliner Blätter ihre vollzogene, eheliche Verbindung erfährst, über mein Quartett aus ES das 'BP' durch einen kleinen Federschwung geschickt in ein BR zu verwandeln."
Ferdinand David gehorchte Felix nicht. Die gewünschte Änderung der Initialen nahm er nicht vor. Viele Jahre später, Mendelssohn war bereits gestorben, überreichte er jedoch dem mittlerweile erwachsenen Sohn Bettys das Autograph samt Mendelssohns Brief.
Felix Mendelssohn Bartholdy: Quartett für zwei Violinen, Viola und Violoncello Nr. 1 Es-Dur, op. 12
Henschel Quartett
Label: Ariola Arte Nova Classics
Sendung: "Das starke Stück" am 1. November 2022, 19:05 Uhr auf BR-KLASSIK