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Wolfgang Amadeus Mozart Symphonie Nr. 1

1764 hielt sich Familie Mozart in London auf. Im April bekam der Vater starke Halsschmerzen. Wolfgang und Nannerl sollten leise sein und nicht Klavier spielen. Um sich zu beschäftigen, begann der achtjährige Mozart, seine erste Symphonie zu komponieren.

Bildquelle: picture-alliance/dpa

Das Starke Stück zum Anhören

Was war dran an diesem angeblichen "Wunder der Menschheit"? Was konnte der junge Mozart wirklich? Waren die Anzeigen und Zeitungsberichte übertrieben, die jedem Auftritt der Mozartkinder in einer neuen Stadt vorausgingen? Wenn es um die Vermarktung seines Sohnes ging, erwies sich Vater Leopold als ausgebuffter Medienprofi - und das erweckte nicht nur die erwünschte Neugier, sondern gelegentlich auch Misstrauen. Der englische Gelehrte Daines Barrington wollte sich ein eigenes Bild machen und besuchte im Juni 1765 das Wunderkind, um es nach wissenschaftlichen Methoden auf Herz und Nieren zu prüfen. Wolfgang absolviert das übliche Programm: Mit verbundenen Augen spielen, auf Zuruf improvisieren und unbekannte Noten vom Blatt spielen.

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Der skeptische Wissenschaftler ist perplex

"Stellen Sie sich eine nie zuvor gesehene Szene von Shakespeare vor, und doch von einem achtjährigen Kind vorgetragen mit all dem Pathos einer unserer größten Schauspieler", staunte Barrington. "Stellen Sie sich gleichermaßen vor, wie dieses Kind mit glänzenden Augen drei verschiedene Kommentare zur Deutung dieser Szene vorträgt, wobei der erste griechischen, der zweite hebräischen, der dritte etruskischen Charakter trägt. Wenn man all dies bedenkt, erhält man eine ungefähre Vorstellung davon, wozu dieser Knabe fähig ist. Während er mir vorspielte, kam seine Lieblingskatze herein, worauf er sogleich sein Klavier verließ. Geraume Zeit konnten wir ihn nicht wieder zurückbringen. Zuweilen ritt er auch mit einem Stock zwischen den Beinen wie auf einem Pferd im Zimmer herum."

Das ist wirklich erstaunliche Musik.
Sir Neville Marriner zu Mozarts Symphonie Nr. 1

Spontan, verspielt und impulsiv - wie jedes Kind

Dirigent Sir Neville Marriner, 2014 | Bildquelle: picture-alliance/dpa Sir Neville Marriner | Bildquelle: picture-alliance/dpa Keine Frage: Der Junge ist ein Rätsel. In seiner Sprache, der Musik, spricht er mühelos alle Dialekte, beherrscht er Tonlagen und Affekte, die selbst für Erwachsene eine Herausforderung sind. Ansonsten aber ist er so spontan, verspielt und impulsiv wie jedes andere Kind auch. Kurz zuvor hatte dieser Achtjährige seine erste Symphonie komponiert. Sir Neville Marriner hat sie vor mehr als 40 Jahren in London, ihrem Entstehungsort, mit seiner Academy of St. Martin in the Fields eingespielt: "Das ist wirklich erstaunliche Musik", erläutert der Dirigent. "Ich erinnere mich gut: Als wir diese Jugendsymphonien aufgenommen haben, gab es wirklich in jeder einen herausragenden Satz. Und immer wieder stießen wir auf Dinge, die Mozart sehr viel später in seinen reifen Werken wieder aufgegriffen hat. Wenn man von den späten Symphonien aus auf diese Anfänge zurückblickt, bemerkt man immer wieder Winke, die in die Zukunft weisen."

Orchestrale Denkweise

Schon gleich zu Beginn seiner allerersten Symphonie schafft der junge Mozart mit den gängigen musikalischen Vokabeln seiner Zeit einen ganz orchestral gedachten, durch Kontraste belebten Klangraum. Ein energiegeladenes Dreiklangsmotiv - dann ein plötzlicher Szenenwechsel. Auch der langsame Satz birgt Überraschungen: "Erstaunlicherweise ist dieser Satzbeginn geradezu opernhaft gedacht, wie für eine imaginäre Bühne", erläutert Sir Neville Marriner. "Die höheren Streicher bilden mit ihren leichten, durchsichtigen Triolen sozusagen die Szenerie für den Auftritt der Solostimme in Cello und Bass. So etwas gibt es immer wieder in den späteren Opern. Ich erarbeite gerade wieder einmal die 'Zauberflöte', und genau die gleiche Passage im Bass gibt es dort auch."

Ohne die väterliche Disziplin wäre Mozart nicht so schnell so reif geworden.
Sir Neville Marriner

Guter Rat von Vater Leopold

Leopold Mozart mit Wolfgang und Nannerl beim Musizieren, Aquarell, Paris im November 1763, von Louis Carrogis de Carmontelle | Bildquelle: picture-alliance / akg Leopold Mozart mit Wolfgang und Nannerl beim Musizieren, Aquarell, Paris im November 1763, von Louis Carrogis de Carmontelle | Bildquelle: picture-alliance / akg Natürlich hat Vater Leopold noch einiges zu korrigieren gehabt an dieser Partitur, wie man an den Handschriften deutlich erkennen kann. Nachdrücklich wies er seinen Sohn auf die damals maßgeblichen Vorbilder von Johann Christian Bach und Carl Friedrich Abel hin, an die solle er sich halten. Doch das populäre Bild vom allzu strengen Übervater lässt Sir Neville Marriner nicht gelten: "Ich glaube, wir müssen ihm dankbar sein. Zwar hat er Wolfgang manchmal wohl auch in seiner Phantasie gehemmt, aber die Disziplin, zu der er ihn angehalten hat, war sehr fruchtbar. Dadurch bekam er für die frühen Symphonien eine Kraft der formalen Gestaltung, die unglaublich wichtig war für seine Entwicklung. Ohne diese väterliche Disziplin wäre er sicher nicht so schnell so reif geworden."

Musik-Info

Wolfgang Amadeus Mozart:
Symphonie Nr. 1 Es-Dur, KV 16


Academy of St. Martin-in-The-Fields, London
Sir Neville Marriner, Leitung
Label: Philips, Produktion 1973

Sendung: "Das starke Stück" am 3. Januar 2023, 19.05 Uhr auf BR-KLASSIK

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