"Wenn es ein Wunder in Mozarts Schaffen gibt, so ist es die Entstehung dieses Konzerts", schrieb der Mozart-Biograph Alfred Einstein über das dritte Violinkonzert, KV 216, bekannt als das "Straßbourger Konzert". Der zweite Satz, das Adagio, klang für ihn "wie vom Himmel gefallen". Sylvia Schreiber hat mit dem Geiger Christian Tetzlaff über dieses Konzert gesprochen.
Bildquelle: picture-alliance/dpa
Die Sendung zum Anhören
Der gerade einmal 19-jährige Mozart schuf mit seinem Violinkonzert G-Dur ein kontrastreiches Meisterwerk zwischen humorvollem Übermut und getragener Kantilene. Oder, wie er es selbst in einem Brief an seinen Vater ausdrückte:
Beim Soupée spielte ich das Strasbourger-Concert. Es ging wie öhl, alles lobte den schönen, reinen Ton.
Christian Tetzlaff durchforstet das Mozart-Material auf penible Art und Weise. Ein Konzert, in dem das Orchester unverfroren das Thema des Solisten vorweg nimmt, muss genauestens studiert werden. Schließlich will man als Solist nicht mit einem affektierten Echo daherkommen. Schon mit dem Einstieg in dieses Violinkonzert ist klar, ob wir es mit einem besseren Stehgeiger zu tun haben, oder mit Jemandem, der uns tatsächlich was zu sagen hat. "Das macht sehr viel Spaß, dieser Einstieg", sagt Tetzlaff. "Weil es wirklich einfach ist, aber trotzdem mit einer sehr schönen Geste anfängt. Selbstverständlich sollte man gucken im Tutti, was da steht im Orchester. Es ist idiotisch, dann einfach so loszuspielen, wie einem die Schnauze gewachsen ist, während man genaue Angaben von Mozart selber hat." Der Effekt davon ist eben keine Effekthascherei, sondern das "Hin-Hören". Im G-Dur-Violinkonzert von Mozart begegnen einem die verschiedensten Arten von Zwiegesprächen, manche drücken sogar Zwietracht aus. Tetzlaff scheut sich dann nicht, seine Geige scharfe Töne anschlagen zu lassen.
"Das starke Stück - Musiker erklären Meisterwerke" gibt es auch als Podcast: Jetzt abonnieren!
Der Geiger Christian Tetzlaff | Bildquelle: © Giorgia Bertazzi
Dafür legt sich die Aufregung, das Aufbrausende im zweiten Satz, überschrieben "Adagio". Geradezu himmlisch sanftmütig kommt er daher. Auch hier arbeitet Tetzlaff wieder präzise mit der Partitur und holt sich in seiner Interpretation die Rückendeckung bei Mozart.
Die Wirkung dieses langsamen Satzes war zu Mozarts Zeiten bereits unbeschreiblich und daran hat sich bis heute nichts geändert. In der Annäherung an die Musik werden selbst Theoretiker zu Poeten. Christian Tetzlaff hingegen vermeidet große Worte.
Wir müssen halt sehen, dass wir dann im richtigen Moment wirklich nur noch die Musik sprechen lassen.
Auf den Boden der Tatsachen kommt man dann wieder im dritten Satz zurück, dem Finale. Die Vielzahl der Melodien erinnert beinahe an eine Music-Box. Nach 21 Minuten voll von Melodien und Themen, die unterschiedlicher nicht sein könnten, die das komplette Gefühlsspektrum abdecken, das sich zwischen göttlicher Harmonie und satanischer Wut befindet, verwundert dann der ungewöhnliche Schluss gar nicht. Hier zeigt sich eine Mischung aus Witz und – Erschöpfung.
Wolfgang Amadeus Mozart:
Konzert für Violine und Orchester Nr. 3 G-Dur, KV 216
Christian Tetzlaff, Violine und Leitung
Deutsche Kammerphilharmonie Bremen
Label: Virgin Classics
Sendung: "Das starke Stück" am 1. Dezember 2020, 19.05 Uhr auf BR-KLASSIK