Sie gehört zu den späten Werken von Maurice Ravel: die Konzert-Rhapsodie "Tzigane" aus dem Jahr 1924. Inspiriert wurde der Komponist zu diesem virtuosen Stück durch die ungarische Geigerin Jelly d'Arányi. Die Großnichte des Geigers Joseph Joachim hatte Ravels G-Dur-Sonate 1922 bei einer privaten Musikveranstaltung in London gespielt. Der dabei anwesende Ravel war so fasziniert, dass er die Geigerin im Anschluss an das Konzert bat, für ihn einige Zigeunerweisen zu spielen und zu improvisieren. Ulrich Möller-Arnsberg stellt das Werk zusammen mit der Geigerin Arabella Steinbacher vor.
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Das starke Stück zum Anhören
Anders als die virtuosen Stücke Pablo Sarasates – seine "Zigeunerweisen" oder seine "Carmenfantasie" – ist Maurice Ravels "Tzigane" eigentlich kein Stück, das den Interpreten mit eingängigen Melodien lockt. Eher ist es ein Stück über das Virtuosentum, das es wie aus der Distanz zu reflektieren scheint. Eine Hintergründigkeit, die gerade den einen oder anderen Interpreten neugierig macht. Wie etwa die Münchner Violinistin Arabella Steinbacher: "Das Stück hat viele dunkle Seiten, weil es so zigeunerisch geschrieben ist. Zwar ist alles ausgeschrieben, aber trotzdem kann man es doch sehr improvisiert spielen. Und das hat man ja nicht so oft im klassischen Repertoire. Das fand ich toll, dass es so etwas gibt. Und ich spiele die 'Tzigane' auch jetzt noch wahnsinnig gerne."
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Arabella Steinbacher | Bildquelle: © Peter Rigaud Nach einem Konzert der ungarischen Violinistin Jelly d'Arányi im Jahr 1922, bei dem Ravel anwesend war, bat er sie, für ihn über Zigeunerweisen zu improvisieren. So erinnerte sich deren Klavierbegleiterin Gaby Casadesus: "Nachdem Mademoiselle d' Arányi dem Wunsch nachgekommen war, bat Ravel um ein weiteres Stück. Und dann um noch eins. Bis um fünf Uhr früh ging es mit den Zigeunerweisen weiter, und alle waren erschöpft. Aber die Geigerin und der Komponist waren es nicht." Von der Virtuosität begeistert und durch die Melodien inspiriert, schrieb Ravel der Ungarin das Stück auf den Leib. Womit er an Liszts "Ungarische Rhapsodien" und Paganinis "Violin-Capricen" anknüpfte. Voller Zweifel schrieb Ravel vor der Uraufführung am 26. April 1924 an die Geigerin: "Einige Passagen könnten eine großartige Wirkung erzielen, vorausgesetzt sie sind spielbar – worüber ich mir nicht völlig sicher bin."
Das ist nicht so schwer, das klingt bloß schwer.
Ravels Bedenken erwiesen sich als unbegründet. Ein halbes Jahr nach der Uraufführung erklang das vom Publikum gefeierte Bravourstück in einer Fassung für Violine und Luthéal, einem Instrument, das dem ungarischen Zimbal ähnelt, was den Klang noch exotischer machte. Schließlich folgte eine weitere Fassung für Violine und Orchester. "Die Stellen, die so schwierig klingen, sind oft nicht so schwierig, wie das Publikum denkt", verrät Geigerin Arabella Steinbacher. Und die Stretta am Schluss, das Tempo, das immer mehr anzieht? Nein, sagt Arabella Steinbacher. Der Schluss lässt sich gut spielen. "Am Schluss, da wird's ja immer lustiger. Das ist nicht so schwer, das klingt bloß schwer."
Maurice Ravel:
"Tzigane"
Arabella Steinbacher (Violine)
Robert Kulek (Klavier)
Label: Orfeo
Sendung: "Das starke Stück" am 21. Mai 2019, 19.05 Uhr auf BR-KLASSIK