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Franz Schubert "Der Tod und das Mädchen"

"Der Tod und das Mädchen" mit dieser Allegorie befasste sich Franz Schubert erst in einem Klavierlied, dann, im Frühjahr 1824, in seinem d-Moll-Streichquartett. Es ist kein bestimmtes Mädchen gemeint, sondern der Mensch in seiner Vergänglichkeit. Für das Münchner Henschel Quartett ist Schuberts d-moll-Streichquartett eines der wichtigsten und liebsten Werke seines Repertoires. Und eines der schwersten – gleichsam ein "Achttausender" der Quartett-Literatur. Barbara Doll hat mit Monika Henschel, der Bratschistin des Quartetts, über das Werk gesprochen.

Bildquelle: picture-alliance/dpa

Das starke Stück

Schubert – "Der Tod und das Mädchen"

"Ich muss aus meiner Sicht sagen: Das höchste körperlich-seelische Empfinden ist für mich, solche Musik zu interpretieren, das ist durch nichts anderes im Erleben zu übertreffen!" Das sagt Monika Henschel über Schuberts d-Moll-Streichquartett. So viel Begeisterung konnte der Geiger und Schubert-Zeitgenosse Ignaz Schuppanzigh offenbar nicht aufbringen für Schuberts "Der Tod und das Mädchen". Mit seinem berühmten Schuppanzigh-Quartett hat er zwar sehr erfolgreich Schuberts "Rosamunde"-Quartett erstaufgeführt. Doch das unmittelbar danach entstandene Streichquartett, also "Der Tod und das Mädchen", wollte Schuppanzigh nicht einstudieren. Das lag weniger an den spieltechnischen Schwierigkeiten, sondern eher an der ungewohnt schroffen und düsteren Tonsprache. Die muss Schuppanzigh und seine Musiker wohl zutiefst irritiert haben.

Der Tod als Erlösung

Mit Punktierungen, Triolen und nervösen Sechzehntel-Läufen deutet Schubert schon im ersten Satz auf den Charakter des ganzen Quartetts. Und zwar, so sagt Monika Henschel, gewissermaßen "als Aussage des Nicht-Veränderbaren, des Todes." Das Thema des zweiten Satzes hat Franz Schubert von seinem früheren Klavierlied übernommen. Es ist die Vertonung des gleichnamigen Gedichts "Der Tod und das Mädchen" von Matthias Claudius: "Es ist so, dass in der Romantik ja der Tod eigentlich als Erlösung gesehen sein sollte und behandelt wurde, so wie es im Gedicht am Ende auch eine Erlösung ist", sagt Monika Henschel. "Der Knochenmann selbst spricht ruhig und sagt: 'Ich bin nicht wild' und nimmt die Worte 'zart' und 'schön Gebild' in den Mund. Während das Mädchen natürlich furchtbar aufgeregt spricht: 'Geh vorüber, ach vorüber, wilder Knochenmann'''.

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Die dramatischste Stelle des ganzen Werks

Bratschistin und Präsidentin des Verbands Deutscher Streichquartette Monika Henschel | Bildquelle: Marco Borggreve Monika Henschel | Bildquelle: Marco Borggreve Im Lied hat Schubert den Dialog zwischen dem Tod und dem Mädchen in den Klavierpart und in die Gesangsstimme gelegt. Vielleicht sinnieren im Streichquartett Geigen, Bratsche und Cello in den Variationen des zweiten Satzes über die unverrückbare Botschaft des Todes. Aus dem Pianissimo tasten sie sich voran bis zum Fortissimo-Aufbegehren in der dritten Variation. Monika Henschel sagt dazu: "Es ist also inzwischen architektonisch gesehen eine solche Spannung erzeugt, dass die 4. Variation es weder dynamisch noch durch Metrik steigern kann. Was macht Schubert? Er bringt in der 4. die G-Dur-Variation, den größten Kontrast und wir sind hier zurück wie in einem Rückblick auf die heile, unberührte Welt der Unschuld, der Jugend. Ein ätherisches Schweben, völlig losgelöst und leicht…aber nur eben die Ruhe vor dem Sturm: Dann haben wir in der 5. Variation keine Triolen mehr, sondern inzwischen Sechzehntel, die größte Steigerung im Tripel-f, für mich persönlich auch die dramatischste Stelle des ganzen Werkes überhaupt."

Die Tonart des Todes: d-Moll

Der zweite Satz endet schließlich in G-Dur – ein kurzer Moment der Erlösung? Nein, keine Erlösung: Im Scherzo wüten wieder schroffe Punktierungen; und zwar in d-Moll, der Tonart des Todes. Dass Schubert solche Musik geschrieben hat, weil er eben ein sterbenskranker, todessehnsüchtiger Romantiker war – das ist ein Gemeinplatz. Trotzdem mag seine Seelenlage die Komposition stark beeinflusst haben. Zur Entstehungszeit des Quartetts, im März 1824, schrieb er an seinen Freund Leopold Kupelwieser: "Ich fühle mich als den unglücklichsten, elendsten Menschen auf der Welt. Denk Dir einen Menschen, dessen Gesundheit nie mehr richtig werden will, und der aus Verzweiflung darüber die Sache immer schlechter statt besser macht. Jede Nacht, wenn ich schlafen geh, hoff ich nicht mehr zu erwachen, und jeder Morgen kündet mir nur den gestrigen Gram." Der Tod ist in Schuberts d-moll- Quartett jedenfalls allgegenwärtig – durch musikalische Todessymbole, wie etwa das Ostinato.

Schubert lässt den Hörer nicht aus, der Tod lässt uns nicht aus.
Monika Henschel über Schuberts Streichquartett d-Moll

Das Finale: ein dramatischer Todeskampf

Oder durch ein Selbstzitat, wie im Finale: Die Melodie in der ersten Geige erinnert an Schuberts Lied "Der Erlkönig", in dem ebenfalls der Tod das letzte Wort behält. "Dieser letzte Satz, ein Presto, wird oft als Totentanz bezeichnet, oder als Jagd: Man ist geneigt, das Hetzen anzufangen, das Tempo nicht zu halten und verliert an Spannung", sagt Monika Henschel zu diesem Satz. "Wenn man es aber schafft, im Tempo die Kontrolle zu behalten, dann hat es eine viel größere Spannung für den Zuhörer und für einen selber auch, als wenn man sich gehen lässt und es hinweghetzt. Also, er lässt einen nicht aus. Schubert lässt den Hörer nicht aus, der Tod lässt uns nicht aus. Man ist am Schluss, nach den zwei Abschluss-Akkorden, regelrecht gestorben. Nach der Interpretation des ganzen Werkes sackt man wirklich erschöpft in sich zusammen, nach einem langen dramatischen Todeskampf."

Musik-Info

Franz Schubert:
Streichquartett d-Moll, op. post., D 810 "Der Tod und das Mädchen"


Henschel-Quartett
Label: Arte Nova Classics

Sendung: "Das starke Stück" am 31. Oktober 2023, 19.05 Uhr auf BR-KLASSIK

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