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Robert Schumann "Kreisleriana"

"Meine Kreisleriana spiele manchmal! Eine recht ordentlich wilde Liebe liegt darin in einigen Sätzen, und Dein Leben und meines und manche deiner Blicke", schreibt Robert Schumann 1838 an Clara. 28-jährig hat er den Höhepunkt seiner ersten Klavierphase erreicht. Es entstehen die "Kinderszenen", die "Novelletten", beide ursprünglich als ein einziger Zyklus geplant, die Fantasie C-Dur opus 17, und eben die "Kreisleriana" – ein Repertoirestück von äußerst hohem technischen Niveau.

Bildquelle: picture-alliance/dpa

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"Äußerst bewegt" – "sehr innig und nicht zu rasch" – "sehr aufgeregt" – "sehr langsam": So lauten einige der Satzüberschriften, die Schumann seinen acht Stücken der "Kreisleriana" gibt. Die verschiedenen Stimmungen zeichnen die frappierend gegensätzlichen Seelenzustände der berühmten Romangestalt Johannes Kreisler, einem überspannten, an der Banalität der Welt leidenden Kapellmeister aus E.T.A. Hoffmanns Bildungsroman-Parodie "Lebensansichten des Katers Murr".

Zerrissene Seele und brutale Charakterwechsel

Kreisler ist das Alter Ego Hoffmanns – und wohl auch Schumanns. Seiner Verarbeitung der Figur in der "Kreisleriana" fehlt die romantische Ironie, der Humor Hoffmanns weitgehend, zu zerrissen wirkt die Seele, die da porträitiert wird in nahezu brutal anmutenden Charakterwechseln.

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Als Spiegel Schumanns privater Situation im Sommer 1838 sieht man das Werk daher gerne: Zu dem Zeitpunkt beschränkt sich der Kontakt des 28-jährigen Schumann zur geliebten Clara, die nur einige Straßen weiter wohnt, auf sporadische Briefe. Wieck, Claras Vater, hat seine Tochter schon vor zwei Jahren von Schumann abgeschirmt, was diesen in tiefste Verzweiflung stürzt. Sein Heiratsantrag 1837 wurde ausweichend beantwortet. Trotzdem hält er an seiner Liebe fest.

Es entsteht ein Gefühl einer ganz unbestimmten Sehnsucht.
Herbert Schuch

Besondere Harmonik

Pianist Herbert Schuch | Bildquelle: Felix Broede Herbert Schuch | Bildquelle: Felix Broede Es scheint, als würden Arbeitseifer und Ausdruckskraft seiner Musik vom privaten Dilemma genährt: "Seine Stücke wirkten so sprachvoll aus dem Herzen zu Allen, für die er spiele, und ihm selbst komme sie verschlungen und doch sehr einfach vor", so der Komponist 1838 in sein Tagebuch. Sein künstlerisches Ideal, Musik müsse poetisch sein, müsse eine Symbiose aus Phantasie, Eigenleben und gutem Handwerk darstellen, sieht er auf dem Höhepunkt seiner ersten Klavierphase 1838 verwirklicht. Betrachtet man dieses Handwerk, den Klaviersatz der "Kreisleriana", so findet man zunächst keine anderen Harmonien als in spätklassischen Werken. Die Wirkung jedoch ist eine völlig andere, wie der Pianist Herbert Schuch erklärt: "Es entsteht ein Gefühl einer ganz unbestimmten Sehnsucht. Das klingt jetzt wahrscheinlich kitschig, aber es ist tatsächlich so, dass Schumann Kraft seiner harmonischen Ideen es geschafft hat, dieses Gefühl des unbestimmten Sehnens, von dem man nicht weiß, wo es eigentlich hin will, zu vermitteln."

Melodien aus kleinsten Zellen

Es fliegen ihm die Melodien seit einiger Zeit nur so zu, wie Schumann an Clara schreibt, und er gewinnt sein musikalisches Material nicht mehr durch Improvisieren am Klavier, sondern es entsteht im Kopf. Das typische "Kleinzellige" seiner Melodien findet man auch in der "Kreisleriana": "Es gibt natürlich wahnsinnig schöne Melodien, die für sich stehen, aber auch dann ist es so, dass diese Melodien aus ganz kleinen Zellen entwickelt werden", sagt Herbert Schuch. "Das erste Stück zum Beispiel besteht ja im Grunde nur aus Auftakten, die aneinander gereiht sind und dadurch so etwas wie einen melodischen Verlauf ergeben. Im Grunde genommen ist das ein Komponieren aus einer winzigen Idee heraus."

Das fünfte Stück als Essenz

Schumann gibt die Kreisleriana, die Clara 1838 als Erste spielt, als Zyklus heraus, und was daran zunächst irritiert – die scharfen Gegensätze der Stücke! – zeigt sich nur vordergründig als Kontrast: Melodische Verwandtschaften lassen sich finden, beziehungsreich sind die verwendeten parallelen Tonarten g-Moll und B-Dur. Formal bedient er sich oft einer lockeren Rondoform, oder eines dreiteiligen Modells, aber auch Entwicklung einer Form lässt Schumann zu, im sechsten und siebten Stück. Im gesamten Zyklus sticht ein Stück hervor, meint Herbert Schuch, er empfindet es als Essenz der "Kreisleriana": ""Mir persönlich hat das fünfte Stück immer wahnsinnig viel bedeutet, weil das ein ganz starkes Spiel von verschiedenen, widerstrebenden Emotionen ist."

Musik-Info

Robert Schumann:
Kreisleriana. Fantasien für Klavier op. 16


Herbert Schuch (Klavier)
Label: Oehms Classics

Sendung: "Das starke Stück" am 21. Februar 2023 um 19.05 Uhr auf BR-KLASSIK

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