Raus aus der Stadt. Zurück zur Natur. Richard Strauss war früh aufgestanden, sehr früh wegen einer sommerlichen Unternehmung im Jahr 1879: einer Wanderung in die Berge. Es war noch stockdunkel und kühl morgens um zwei Uhr, die spärlich flackernde Flamme einer Laterne wies den Weg auf den Heimgarten, 1790 Meter über Null.
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Das starke Stück
Strauss - Eine Alpensinfonie
Der geheime Held der Alpensinfonie war Otto Stauffer, ein Maler aus der Schweiz. Ein Naturbursche war er, ein Gipfelstürmer, der unglücklich verliebt unter merkwürdigen Umständen ums Leben gekommen war. Eine Tragödie - Protokoll einer Gipfelbesteigung, vertont von Richard Strauss. Ein Naturidyll: Seen, Wiesen, Herdenglocken. Sind Kühe sinfonische Tiere? Er habe einfach so komponieren wollen, wie die Kuh Milch gibt, hatte Richard Strauss einmal mit einer Spur Selbstironie gesagt. Ein Satz, der oft zitiert worden ist.
Sonnenaufgang, Alm, Wasserfall, Gipfelblick - Bilder, die symphonisch bunt ausgemalt sind. Sie verweisen auf Bilder hinter den Bildern: auf Philosophisches. Eine Bergwanderung müsse sein wie reinigendes Unwetter. Ein Satz, der abgewandelt wurde in Anlehnung an eine mit spitzer Feder verfasste Schrift aus dem Jahr 1888 von Friedrich Nietzsche: Der Antichrist. Man müsse geübt sein, auf den Bergen zu leben - das erbärmliche Zeitgeschwätz von Politik und Völker-Selbstsucht unter sich zu sehn.
1911 war außerdem Gustav Mahler gestorben, worüber Richard Strauss erschüttert war. Er komponierte gerade an seiner Alpensinfonie - da machte er sich seinen eigenen Reim auf Nietzsche: "Die deutsche Nation könne nur durch die Befreiung vom Christenthum neue Thatkraft gewinnen." Sittliche Reinigung aus eigener Kraft, Befreiung durch die Arbeit, Anbetung der ewigen herrlichen Natur. Das Werk sollte Antichrist heißen, ein Titel, den Strauss später wieder strich. Nur wenig Weltanschauung blieb übrig, es blieben vor allen Dingen viele Töne - ein symphonisches Felsmassiv.
Richard Strauss: Eine Alpensinfonie, op. 64
Berliner Philharmoniker
Leitung: Herbert von Karajan
Label: Deutsche Grammophon