Berlin 1931. Im Haus des Rundfunks wird ein Violinkonzert uraufgeführt, das Violinkonzert D-Dur von Igor Strawinsky. Es ist eine der ersten Live-Übertragungen der Reichsrundfunkgesellschaft, die das Werk bald auf Schallplatte herausbringen wird. Paul Hindemith ist auch anwesend. Er hat Igor Strawinsky zur Komposition dieses Werkes überreden müssen, das vorerst kaum Furore macht.
Bildquelle: George Hoyningen-Huené
Das starke Stück
Strawinsky - Violinkonzert in D
Kolja Blacher und ein Konzert in Form einer Karikatur, komponiert von einem Russen für einen polnischen Musiker in Südfrankreich. Concerto in Re oder: Igor Strawinsky macht sich lustig mit einem Violinkonzert in D-Dur über ein Violinkonzert in D-Dur. "Ja, wer trommerlt denn da? Das ist der kleine Modernsky!", hatte Arnold Schönberg ihn bereits einige Jahre zuvor satirisch in Töne gesetzt: "Hat sich ein Bubikopf schneiden lassen; sieht ganz gut aus! Wie echt falsches Haar! Ganz der Papa Bach!"
Strawinsky fühlte sich verkannt. Er spielte in seiner Musik gekonnt mit dem Reiz des scheinbar Vertrauten, um es ironisch zu durchbrechen. Überraschend wie unberechenbar. Vielleicht irritierte, dass er seine Absichten hinter stets wechselnden Masken zu verbergen schien. Doch sah er sich selbst als ernsthaften Musiker, der sehr ernsthaft an seinen Werken arbeitete. Strawinsky sagte einmal zu einem Besucher: "Die ersten Gedanken sind sehr wichtig; sie kommen von Gott. Und wenn ich nach Arbeit, Arbeit und nochmals Arbeit zu ihnen zurückkehre, dann weiß ich, sie sind gut."
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Kolja Blacher | Bildquelle: Archiv des BR Einige Jahre nach der Karikatur eines Violinkonzerts polemisierte ein gewisser Theodor W. Adorno dialektisch und spielte Strawinsky gegen Schönberg aus. Der sah sich als einzig legitimer Erbe Brahms', des Fortschrittlichen, und galt Vielen als alleiniger Vertreter einer zukunftsträchtigen Musik. Strawinsky, der mit den Balletts Russes in Paris Furore gemacht hatte, wurde als rückwärts gewandter Neoklassizist beäugt. Ein reisender Dirigent und Klaviervirtuose, der den Umgang mit der feinen Gesellschaft liebte, sich stets à la Mode anzog und sich in der Rolle eines Dandys gefiel.
Strawinksy hat gesagt, das ist ein Stück, das nach Geige stinken soll.
Musikalisch schlüpfte Strawinsky in wechselnde Stilkleider: Glasunow, Pergolesi oder Carl Maria von Weber. Zur Komposition des Violinkonzerts musste Strawinsky fast gedrängt werden. Von klassischen Vorbildern ließ er sich nicht leiten. Vielmehr bemerkte er scharfsinnig: Er glaube nicht, dass die Standard-Violinkonzerte von Mozart, Beethoven oder Brahms zu den besten Arbeiten dieser Komponisten gehörten. Das Violinkonzert von Schönberg - streng zwölftönig komponiert - bewunderte Strawinsky hingegen. Es sei eben die Ausnahme von der erwähnten Regel. "Strawinksy hat gesagt, das ist ein Stück, das nach Geige stinken soll", äußert sich Kolja Blacher zu Strawinskys Violinkonzert. "Das heißt: Es hat ganz viele Effekte und Affekte, die er übertreibt – Sachen, die man dann wirklich mit ganz viel Sarkasmus spielen muss, um die Doppelbödigkeit zu zeigen. Es ist auch einfach da, um zu zeigen, was für Finger man hat und was für einen Bogen man hat.“
Igor Strawinsky: Violinkonzert D-Dur
Kolja Blacher (Violine)
Mahler Chamber Orchestra
Leitung: Claudio Abbado
Label: Deutsche Grammophon
Sendung: "Das starke Stück" am 07. November 2023, 19.05 Uhr auf BR-KLASSIK