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Uraufführung von Hans Krásas "Brundibar" Eine Kinderoper in Theresienstadt

Theresienstadt, 23. September 1943. Hans Krásas Kinderoper "Brundibar" kommt im Ghetto Theresienstadt zur Uraufführung – als Teil des perfiden Plans der Nazis, Theresienstadt als Vorzeige-Ghetto mit einem lebendigen Kulturleben zu präsentieren. Der Komponist Hans Krása wurde in Auschwitz ermordet, doch "Brundibar" wird immer noch gespielt – ein später Sieg der Menschlichkeit.

Blick durch den Stacheldraht - Ehemaliges Konzentrationslager Theresienstadt | Bildquelle: picture alliance / IMAGNO/Votava

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(Bild: Szenenfoto von einer "Brundibar"-Aufführung in Zagreb 2018)

Auf der Bühne: Schwer traumatisierte, ausgehungerte Kinder. Im Publikum: jüdische Gefangene und ihre Peiniger – SS-Leute. Zvi Cohen spielte damals Mundharmonika: "Die Deutschen haben herausgefunden: Wenn man den Juden Kultur liefert, dann sind sie ruhig", erinnert sich Cohen. "Die Kultur hielt die Menschen in Theresienstadt am Leben". Leben wofür? Die meisten Insassen des Ghettos Theresienstadt wurden nach Ausschwitz oder in andere Vernichtungslager deportiert und dort ermordet.

Melodien geistern durch Baracken

1942 traf es auch Hans Krása, den Erfinder der Kinderoper Brundibar. 55 Mal wurde sie in Theresienstadt aufgeführt. Offiziell. Inoffiziell geisterten die Melodien ungezählt durch die Baracken, Straßen und Hinterhöfe. Nachts, wenn die Ghetto-Schergen schliefen. "Wir waren froh, dass wir singen konnten", sagt Dagmar Lieblova, ehemaliges Chormädchen im "Brundibar". "Wir haben eigentlich über ein normales Leben gesungen, wo man Brot kaufen kann, Milch kaufen kann, Eis essen. Ganz anderes als das, was wir um uns herum sahen."

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Brundibár Theresienstadt | Bildquelle: Frede Farmandsite (via YouTube)

Brundibár Theresienstadt

Heimliche Uraufführung im Waisenhaus

1938 hatte Hans Krása, Schüler von Alexander Zemlinsky und ehemaliger Korrepetitor am deutschen Theater Prag, die Oper verfasst: ein hoffnungsvolles Werk über den Sieg des Guten über das Böse. Im Lager Theresienstadt ging "Brundibar" erstmals am 23. September 1943 über die Bühne der sogenannten "Magdeburger Kaserne". Vor dieser offiziellen Uraufführung war "Brundibar" aber bereits heimlich gespielt worden – in einem Waisenhaus in Prag. Hans Krása war nicht dabei – er war schon in Theresienstadt.

Ein Stück Hoffnung mit riesiger Wirkung

Zeitgenössische Porträt-Fotografie von Hans Krása, Komponist der Kinderoper "Brundibár"  | Bildquelle: © dpa Der Komponist Hans Krása | Bildquelle: © dpa Dass der Klavierauszug der Oper später ins Ghetto gelangte, war ein Lichtstrahl in tiefster Finsternis – und ermöglichte Krása, seine Oper wiederzubeleben, sogar offiziell: Die SS-Männer im Ghetto hatten ihm die "Freizeitgestaltung" im Lager übertragen: "Brundibar" sollte zum Täuschungsmanöver für die Öffentlichkeit werden. Die Hölle als heile Welt vorgaukeln. Das gipfelte darin, dass Goebbels den Schlusschor aus "Brundibar" vorsingen ließ, als eine internationale Delegation des Roten Kreuzes nach Theresienstadt kam: Musik, von Massenmördern missbraucht. Trotzdem: "Brundibar" hat die Nazis überlebt und einigen Juden das Überleben gesichert – ein winziges Stück Hoffnung mit riesiger Wirkung.

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Sendung: "Allegro" am 23. September 2022 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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