New York, 5. November 1989 – Vladimir Horowitz, einer der größten Pianisten des 20. Jahrhunderts stirbt. Nur drei Jahre zuvor war er mit 82 Jahren noch einmal auf Konzerttournee durch Europa gewesen, hatte in Moskau, Leningrad, Mailand, Hamburg und Berlin gespielt, wo er zuletzt 1925 aufgetreten war.
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Was war Horowitz für das weltweite Publikum nicht alles gewesen: Hypervirtuose, Zauberkünstler, Überpianist, wahlweise auch Rattenfänger – und der letzte Romantiker am Klavier ohnehin. In die grenzenlose Bewunderung und Euphorie mischte sich immer wieder auch Skepsis über das Exzentrische, Manieristische, Zirzensische seiner Kunst, der leicht akademische Verdacht des nicht ganz Seriösen. War man nicht fast erleichtert, wenn sein Mozart anfechtbar geriet? Verriet der Manegenstar nicht allzu leichtfertig musikalischen Tiefsinn an die glitzernde Oberfläche oder donnernde Opulenz technizistischer Bravour-Piècen, um das sensationslüsterne Publikum kalkuliert in tosenden Begeisterungstaumel zu versetzen?
Die wahre Kunst des Vladimir Horowitz aber lag anderswo, jenseits der mit bestürzender Sicherheit hingefegten Arpeggien und Skalen. "Man geht nicht durchs Leben, um Oktaven zu spielen", meinte er, bevor er sich 1953 für zwölf lange Jahre und nicht zum letzten Mal vom Konzertpodium zurückzog. Bei aller Lust an Virtuosität und Brillanz war er ein Zweifler und Tüftler, stets auf der Suche nach Farben, Schattierungen, Klangebenen, Stimmverläufen – und ja, nach der Seele der Musik.
Bildquelle: Artur Umboh – DG Vielleicht ist diese Suche beim alten Horowitz auf berührende Weise an ihr Ende gelangt. Das späte, von Verinnerlichung und Reduktion, Nachdenklichkeit und Poesie geprägte Berliner Konzert jedenfalls legt diesen Schluss nahe. Den geliebten Scarlatti machte der 82-Jährige zum barocken Melancholiker, Chopin ließ er bei aller stolzen Eleganz von Nachtschwärze und Tragik singen. Kongenial traf er die Spiritualität des wesensverwandten Skrjabin, versenkte sich in Rachmaninows Melancholie, in Schumanns poetische Fantasie. Virtuosität war nun endgültig Nebensache, auch wenn er sehr wohl noch mit ihr zu kokettieren wusste.
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