New York, 16. Dezember 1893: Antonín Dvořáks "Symphonie aus der Neuen Welt" wird in der Carnegie Hall uraufgeführt. Endlich ist sie da, die langersehnte amerikanische Kunstmusik. Das New Yorker Publikum tobt vor Begeisterung und ruft den Namen des gefeierten Komponisten. Dvořák erinnert sich: "Die Zeitungen sagen, noch nie hatte ein Komponist einen solchen Triumph! Die Leute applaudierten so viel, dass ich aus der Loge wie ein König – à la Mascagni in Wien – mich bedanken musste."
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Vor etwas mehr als einem Jahr war Dvořák als Leiter des National Conservatory nach New York geholt worden, und man setzte große Hoffnungen auf ihn, dessen war sich der tschechische Komponist durchaus bewusst: "Die Amerikaner erwarten große Dinge von mir. Vor allem soll ich ihnen den Weg ins gelobte Land und in das Reich der neuen selbständigen Kunst weisen, kurz: eine nationale Musik schaffen."
Also sucht Dvořák nach möglichen Wurzeln für eine amerikanische Kunstmusik und findet sie in den Plantagenliedern der Schwarzen. "Ich bin überzeugt, dass die zukünftige Musik dieses Landes auf dem gründen muss, das man allgemein als 'Negermelodien' bezeichnet. In den Negerliedern finde ich alles, was für eine bedeutende und vornehme Schule der Musik nötig ist."
Auch die Musik der amerikanischen Ureinwohner mag Dvořák für seine "Symphonie aus der Neuen Welt" inspiriert haben. Doch die Rezeption ist gespalten. Während die einen in den sehnsuchtsvollen Weisen des zweiten Satzes Abbilder der weiten Prärie heraushören, finden andere darin Anklänge an Dvořáks böhmische Heimat. Auch die Mittel, mit denen der Komponist arbeitet – pentatonische Wendungen und synkopierte Rhythmen – gelten zwar als folkloristisch, aber nicht unbedingt als typisch amerikanisch.
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Dvořák Symphony No 9 New World - Celibidache - Münchner Philharmoniker (1991)
Am Tag nach der Uraufführung steht im "New York Herald": "Dvořáks Werk ist im Geist amerikanisch, aber in der Atmosphäre tschechisch. Dr. Dvořák vermag seine Nationalität ebenso wenig abzustreifen wie ein Leopard seine Flecken." Stellt sich die Frage, ob das überhaupt Dvořáks Absicht war. Eins steht jedoch für ihn selbst fest: "Ich weiß, dass diese Komposition nie so geschrieben worden wäre, wenn ich Amerika nicht gesehen hätte."
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Sendung: "Allegro" am 14. Dezember 2020 ab 06:05 Uhr auf BR-KLASSIK