Maultrommel-Virtuose: Klingt das nicht eher nach Kirmes als nach Konzertsaal? Muss nicht: Im 18. Jahrhundert gab es nicht nur Maultrommelspieler im Hoforchester und eine offizielle Maultrommelmacher-Zunft. Es gab auch einen gewissen Christoph Willibald Gluck, der sich seine Studienreise mit der Maultrommel finanzierte. Und es gab einen Maultrommel-Virtuosen, der sogar für den Kaiser spielte. Sein Name: Pater Bruno Glatzel. Ein verdienstvoller Mann, den ein jedoch schlimmes Ende ereilte: Am 18. Februar 1773 wird Glatzel im österreichischen Traiskirchen erstochen.
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April 1764: Joseph II. ist gerade in Frankfurt gekrönt worden und macht auf seiner Rückreise Station in Kloster Melk. Und dort hört er Pater Bruno. Wie der in rasendem Tempo hin- und herwechselt zwischen Maultrommeln unterschiedlichster Stimmung. Wie er Läufe spielt, die sonst nur ein Geiger oder ein Flötenvirtuose zustande bringt. Der Kaiser ist begeistert.
Und der Prior des Klosters notiert voller Stolz in der Melker Chronik: "Coram Majestatibus lusit in zwei Maultrommeln. Nemlich spielt Pater Bruno den Prim und Secund zu gleich und schlagt aus den Noten Minueter, Concerter und tausend schön künstliche Sachen."
Eine Maultrommel-Virtuosin in Aktion | Bildquelle: picture-alliance/dpa
Pater Bruno hieß eigentlich Johann Sebastian Glatzel. Er war der Sohn eines Weinwirts aus einem Passauer Patriziergeschlecht und kam 1721 in der Dreiflüssestadt zur Welt. Mit Mitte Zwanzig trat er ins Stift Melk ein und wurde zum Priester geweiht.
Sein Ruf als Maultrommelspieler verbreitete sich rasch, und kein Geringerer als Johann Georg Albrechtsberger, ehemals Organist in Melk und später Lehrer von Beethoven, schrieb ihm sieben Konzerte für Maultrommel und Orchester auf den Leib.
1767 wurde Pater Bruno Pfarrer im niederösterreichischen Traiskirchen, trat aber weiterhin in Melk auf, wenn der Kaiser dort Station machte. Sein Ende kam unerwartet: Am 18. Februar 1773 wurde er von zwei Männern hinterrücks erstochen. Die Gründe liegen im Dunkeln.
Sein Name mag heute vergessen sein. Aber letztlich verdanken wir Bruno Glatzel die einzigen wirklich bekannten Kompositionen von Albrechtsberger – und dass die Maultrommel nicht nur auf der Kirmes ihren Platz hat, sondern auch im Konzertsaal.
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Albrechtsberger: Concerto in E major for Jew's Harp, Mandora Fritz Mayr & Dieter Kirsch
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Sendung: "Allegro" am 18. Februar 2022 ab 06:05 Uhr auf BR-KLASSIK