Berlin, 23. Januar 1905. Richard Strauss komponiert den Parade-Marsch des Regiments Königs-Jäger zu Pferde – "Seiner Majestät dem Kaiser und König Wilhelm II. in tiefster Ehrfurcht gewidmet". Es ist der erste von insgesamt sieben Märschen für den reaktionären Dienstherrn, der aus seinem erzkonservativen Musikgeschmack denn auch keinen Hehl macht.
Bildquelle: Richard Strauss Institut/Bearbeitung: BR
Die Sendung zum Anhören
Schon vor ein paar Jahren hat Wilhelm nämlich in Anwesenheit des Künstlers über seinen preußischen Hofkapellmeister verkündet: "Das ist der Allerschlimmste, der ist ganz modern, da habe ich mir eine schöne Schlange an meinem Busen genährt!" Und vor dem Personal der Königlichen Schauspiele ließ er tatsächlich verlauten, Künstler hätten sich als "Werkzeuge des Monarchen" zu betrachten. Heroische Opern wie Leoncavallos "Roland von Berlin" will der Kaiser hören, nicht unanständige Opern ohne Melodie wie "Feuersnot". Die ist übrigens jetzt verboten. Kein Wunder also, dass Strauss nach seiner langen USA-Tournee gerade versucht, sein Renommee in Berlin ein wenig aufzubessern.
Sicher, freiwillig hätte er diesen Marsch nicht geschrieben. Und mit einer Militärmusikfassung will er sich auch nicht rumschlagen. Die Instrumentierung können andere übernehmen. Hauptsache, Wilhelm ist trotzdem zufrieden mit dem "Hof- und Leibcomponist Seiner Majestät", wie Strauss sich nennt. Und das ist er tatsächlich. Zumindest erhebt der Kaiser das Werk in den Rang eines königlich preußischen Armeemarsches: "Ich verleihe meinem Regiment Jäger zu Pferde Nr.1 den von Richard Strauss komponierten Marsch als Präsentiermarsch mit der Maßgabe, dass das Regiment bei großen Paraden allein berechtigt sein soll, den Marsch zu blasen."
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STRAUSS Parade-Marsch Des Regiments Königs-Jäger Zu Pferde No. 1 - U.S. Marine Band
Damit wird er sich furchtbar schaden. Die ganze moderne Musik taugt nichts.
Notwendigen Opportunismus nennt man das. Auch wenn der Marsch nicht so ganz standardgemäß daherkommt: ein paar Abweichungen in der Struktur, ein paar Mollabschnitte in den Durteilen, ein paar Vorschläge – klingt alles irgendwie nach einer Anspielung auf die Türkismen im 18. Jahrhundert. Aber egal. Strauss wird weitere Märsche für den Kaiser schreiben und sich in dessen Anwesenheit auch noch unerträglich lange Märsche anderer anhören müssen. Auch Männerchöre wird er komponieren nach dem "Volksgeschmack seiner Majestät". Was tut man nicht alles – schließlich ist in ein paar Monaten "Salome"-Premiere! Wilhelm wird sie nicht gefallen: "Damit wird er sich furchtbar schaden. Die ganze moderne Musik taugt nichts." Wenn er wüsste …
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