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Was heute geschah – 29. November 1948 Kurt Weill kehrt frustriert aus Hollywood zurück

New York, 29. November 1948. Kurt Weill kehrt frustriert aus Los Angeles zurück. Kein Hahn in Hollywood kräht nach seinen Musicals. Dabei war der Komponist mit großen Hoffnungen nach Kalifornien gegangen und hat der Filmindustrie seine größten Erfolge angeboten.

Bildquelle: picture alliance/Mary Evans Picture Library

Die Sendung zum Anhören

"Die Filmindustrie ist praktisch tot, wobei die paar führenden Leute und ihre Anverwandten sich krampfhaft an das sinkende Schiff klammern", ärgert sich der Kurt Weill, nachdem sich niemand in Hollywood für seine Erfolge interessiert. Zum Beispiel für "Love Life". Auf 252 Vorstellungen hat es das Stück in New York gebracht. Dann "Miss Memory", ein entzückendes, aber auch melancholisches Exposé für einen Film. Weill katzbuckelt überall und hat nirgendwo Erfolg. "Es gibt in Los Angeles nur noch zwei Studios, die überhaupt noch Musicals machen", resümiert er. Und diese zwei letzten Studios stecken gewaltig in der Krise. Die 20th Century macht Weill wenigstens einen Hauch von Hoffnung, indem man den Musical-Meister nicht gleich aus dem Vorzimmer wirft. "Die Geschichte gefällt ihnen", macht Weill sich Hoffnungen. "Ja, sieh an, sie geben 'Miss Memory' immerhin dem Produzenten zu lesen. Aber ich zweifle sehr stark an den Chancen. Nicht nur von 'Miss Memory', sondern für alles halbwegs Anständige in dieser Stadt."

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Jerry Orbach "Love Song" (1969) KURT WEILL | Bildquelle: Larry DeMellier (via YouTube)

Jerry Orbach "Love Song" (1969) KURT WEILL

Jetzt ist nicht die Zeit für Ihr hochgestochenes Zeug.
MGM-Chef Arthur Freed zu Kurt Weill

Keine Chance für Niveau in Hollywood

Das intellektuelle Gefälle zwischen Ost-und Westküste in den USA wird in diesen Jahren immer größer. Was in New York als "innovativ" gilt, hält man in Los Angeles im Regelfall für "zu verkopft". Kurt Weill bekommt zu spüren, wie sich der Geschmack verändert hat: Man mag es jetzt lieber süß, fluffig und ein wenig naiv. Mit einer klaren Rollenverteilung innerhalb der Geschlechter. Ein selbstbewusstes Auftreten von Frauen, wie das häufig in Weill-Stücken der Fall ist, gesellschaftskritische Spitzen und Weills mitunter bissiger Humor sind kein Verkaufsgarant mehr in der Filmbranche dieser ersten Nachkriegsjahre. Genauso wenig der unterschwellige, bittere Beigeschmack, der in fast allen Werken von Kurt Weill steckt – auch der ist nun nicht mehr gefragt. MGM-Chef Arthur Freed setzt den Bittsteller Kurt Weill mit den griffigen Worten vor die Türe: "Jetzt ist nicht die Zeit für Ihr hochgestochenes Zeug; was wir jetzt brauchen, ist Fleisch mit Kartoffeln."

WAS HEUTE GESCHAH

Unsere Reihe "Was heute geschah" zu bemerkenswerten Ereignissen der Musikgeschichte können Sie auch um 8.30 Uhr und um 16.40 Uhr auf BR-KLASSIK im Radio hören. Weitere Folgen zum Nachhören finden Sie hier.

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