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Was heute geschah – 30. März 1811 Schubert komponiert sein erstes erhaltenes Lied

Wien, 30. März 1811: Es ist still auf dem Gang. Kein Ton dringt aus dem Musikzimmer des Internats. Und doch hieß es, Franz sei hier. Joseph von Spaun öffnet die Tür. Tatsächlich, da sitzt er: Franz Schubert, den Lockenkopf in ein Notenheft vergraben – so tief, als hätte er trotz der dicken Brillengläser Mühe, die Noten zu erkennen. Franz saugt sie auf: jede Note, jede Melodie, jeden Akkord.

Bildquelle: picture-alliance/dpa

Die Sendung zum Anhören

Franz Schubert ist vierzehn Jahre alt, Sängerknabe im Wiener Stadtkonvikt. Hier in der staubigen Bibliothek entdeckt er die Welt der Lieder. Auch Josef von Spaun beugt sich neugierig über die Noten: Balladen von Johann Rudolf Zumsteeg. "Er sagte, er könne tagelang in diesen Liedern schwelgen", erinnert sich Span später. In Schuberts Kopf beginnen die Noten zu tanzen, sich zu drehen und neu zusammenzufügen. Eine Falte zuckt um seine Augenbrauen. Josef von Spaun lächelt, greift in die Tasche und schiebt Franz – wie so oft – einen blanken Bogen Notenpapier zu. "Er wollte Zumsteegs Lied, das ihm sehr gefiel, in anderer Weise setzen", so Spaun.

Alttestamentarischer Stoff, tröstliches Ende

"Hagars Klage", ein Stoff aus dem Alten Testament: Abraham schickt seine Magd Hagar fort – zusammen mit dem gemeinsamen Sohn. In der Wüste muss sie mitansehen, wie ihr Kind verdurstet: "Hier am Hügel heißen Sandes / Sitz' ich, und mir gegenüber / Liegt mein sterbend Kind…". Schubert beginnt in derselben Tonart wie Zumsteeg: c-Moll. Auch im Tempo und Charakter orientiert er sich an der Vorlage. Aber er will es noch besser machen: mehr Ausdruck, stärkere Affekte, und ein hoffnungsvolles Ende. Hier wechselt Schubert ins leuchtende As-Dur: Das Gebet wird erhört. Gott nimmt sich der Seele des Knaben an: "Gott, sein Herr, verschmäh das Flehen / Des unschuldigen Knaben nicht."

Gundula Janowitz singt "Hagars Klage"

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Schubert: Hagars Klage, D.5 | Bildquelle: Gundula Janowitz - Topic (via YouTube)

Schubert: Hagars Klage, D.5

Startschuss einer unvergergleichlichen Komponistenkarriere

"Hagars Klage" ist Schuberts erste erhaltene Liedkomposition. 600 weitere werden folgen. Zumsteegs Balladen sind für den jungen Komponisten Wegweiser: Wenige Jahre später wird Schubert das Kunstlied revolutionieren - mit Vertonungen wie dem "Erlkönig" oder "Gretchen am Spinnrad".

WAS HEUTE GESCHAH

Unsere Reihe "Was heute geschah" zu bemerkenswerten Ereignissen der Musikgeschichte können Sie auch um 8:30 Uhr und um 16:40 Uhr auf BR-KLASSIK im Radio hören. Weitere Folgen zum Nachhören finden Sie hier.

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