Keine Oper hat Carlos Kleiber öfter dirigiert als den "Rosenkavalier" von Richard Strauss. Seine Aufführungen an der Bayerischen Staatsoper in den 70er Jahren in der Inszenierung von Otto Schenk und mit einem erstklassigen Sängerensemble wurden vom Publikum gefeiert und zum rauschenden Theaterfest. Bis heute gelten sie als legendär.
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Ich dirigiere nur, wenn ich hungrig bin.
Das soll Carlos Kleiber 1989 gesagt haben, als er für Karajans Nachfolge bei den Berliner Philharmonikern gehandelt wurde.
Hungrig war er wohl, im doppelten Sinn, Anfang der 70er Jahre, als ihm die Bayerische Staatsoper den "Rosenkavalier" anbot - mit dem Freund Otto Schenk als Regisseur und einer Besetzung, die noch über 40 Jahre danach von sich reden macht: Gwyneth Jones als Marschallin, Brigitte Fassbaender als Octavian und Lucia Popp, mit der er eine Affäre hat, als Sophie.
Brigitte Fassbaender als Octavian (Mitte) und Gwyneth Jones als Marschallin (rechts) | Bildquelle: picture-alliance/dpa
"Er ist ein Perfektionist, und es ist ihm mehr als wichtig, dass man genau das tut, was er will. Wenn er dich bittet, einen kleinen Punkt zu akzentuieren, dann lohnt es sich, das Äußerste zu versuchen - du kannst an seinen Augen sehen, dass er darauf wartet", so Gwyneth Jones.
Klappt das nicht, wird er ungemütlich.
Im Münchner "Rosenkavalier" ist das nicht der Fall, auch wenn Fassbaender mit den Tempi hadert und Gwyneth Jones Kleiber anfangs zu sentimental singt. Der skrupulöse Perfektionist schreibt dann kleine Zettel, mit musikalischen, manchmal auch psychologischen Botschaften wie etwa: "Warum hast du mich heute auf der Bühne im Stich gelassen?" Brigitte Fassbaender erinnert sich an die gemeinsamen Proben folgendermaßen: "Manchmal hielt er uns schon nach dem dritten Ton oder dem dritten Wort an und ließ uns eine Stunde lang wiederholen, wiederholen, wiederholen, und jedes Mal mit einer neuen Idee zu jedem Wort. Er war fast wie ein Regisseur, nur dass seine Ideen und Einsichten immer der Partitur entsprangen."
Die harte Probenarbeit hat sich gelohnt, die Premiere am Münchner Nationaltheater wird ein rauschendes Theaterfest und die Presse urteilt: "Brausender Applaus, seit langem mal wieder ohne Buh-Trübung, feierte einen 'Rosenkavalier', den München bei den olympischen Spielen getrost vorzeigen kann." Alle Beteiligten werden bejubelt, trotzdem ist klar, wer der ungekrönte König ist: "Die Sensation dieser Premiere ist Carlos Kleiber."
Noch über vier Jahrzehnte später schwärmen die, die dabei waren, von Sternstunden, vom Nonplusultra, was in der Oper möglich sei. Dreifach überbucht sind schließlich die Vorstellungen, wenn Kleiber in den Jahren darauf - selten genug - dirigiert.
An so etwas Perfektem teilzunehmen, war eine unvergleichliche Freude.
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