Sir Georg Solti war einer der herausragendsten Dirigenten des 20. Jahrhunderts und ein rastloser noch dazu, der weit über seinen 90. Geburtstag hinaus Verpflichtungen einging. Aufhören und Stillhalten gehörten nicht zu seiner Lebenseinstellung. Keiner ahnte deshalb, dass das Konzert am 13. Juli 1997 mit dem Tonhalle-Orchester Zürich sein letztes werden sollte.
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Es ist ein eher beiläufiger Abschied, ein Abend, der wenig von der tragischen Magie des letzten Moments hat. Zwar steht der Maestro, der in der Zürcher Tonhalle Mahlers Fünfte dirigiert, bereits in seinem 85. Lebensjahr, aber dennoch hatte er vor seinem Auftritt in einem Interview voller Vitalität gesagt:
Ich bin nicht mehr so wild wie früher. Ich bin ein bisschen ruhiger geworden. Ganz ruhig werde ich nie sein - das liegt mir einfach nicht.
Bildquelle: Lady Valerie Solti Georg Solti, der Rastlose, der Hyperaktive, der Musiker, der sein Künstlerleben bis zur letzten Neige auskosten will. Dirigenten im Rentenalter verweigern sich gerne dem Ruhestand, Solti ist jedoch ein Extremfall. Er ist 80 Jahre, als er mit dem Optimismus eines Besessenen langfristige Verpflichtungen eingeht, die weit über seinen 90. Geburtstag hinausreichen. Unermüdlich jettet er von Engagement zu Engagement. Er schmiedet Pläne, tritt sogar in Nachfolge des verstorbenen Herbert von Karajan die Leitung der Salzburger Festspiele an.
Aufhören und Stillhalten ist sein Ding nicht. "Ich bin überzeugt, dass ich heute ein besserer Musiker bin, als ich es je war", behauptet er noch nur wenige Tage vor seinem Züricher Auftritt. Wer konnte da schon ahnen, dass der gebürtige Ungar nach dem Schlussakkord zum letzten Mal den Applaus des Konzertpublikums entgegen nehmen würde?
Georg Solti wird Anfang September 1997 überraschend an einem Herzinfarkt sterben. Aus heutiger Sicht scheint es wie eine Schicksalsfügung, dass der Karriereweg des Dirigenten, der als diktatorischer Chef das Chicago Symphony Orchestra zum weltweit bewunderten Präzisionsinstrument geformt hatte, dort endet, wo vieles begann.
Georg Solti ist ein Medienstar, dessen Name mehr als 250 Plattencover ziert, legendär ist seine Gesamteinspielung des "Ring", die den Beginn der Stereophonie markiert. Kein anderer Künstler hat so viele Grammys erhalten wie er, insgesamt 32 an der Zahl. Sein Debüt vor den Aufnahmemikrophonen hatte der junge Solti 1947 in der Schweiz gefeiert. Und das mit dem Ensemble seines letzten Konzerts, dem Tonhalle-Orchester Zürich.
Am 21. Oktober 1912 als György Stern geboren, wuchs Sir Georg Solti in Budapest als Sohn jüdischer Eltern auf, studierte Klavier, Komposition und Dirigieren bei Bartók, Dohnányi, Kodály und Leo Weiner an der Liszt-Akademie in Budapest. Obwohl er bei seinem Konzertdebüt als Pianist auftrat, wurde er von der Budapester Oper wenig später als Dirigent engagiert. 1937 ernannte Toscanini ihn zu seinem Assistenten für die Salzburger Festspiele. Vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs zwangen die ungarischen Judenprogrome Solti 1939 zur Emigration in die Schweiz, wo er jedoch nicht als Dirigent auftreten durfte. Das hatte zur Folge, dass er seinen Lebensunterhalt als Pianist verdiente und 1942 beim Concours International in Genf den ersten Preis gewann. Im Jahr 1946 wurde Solti von der amerikanischen Militärregierung aufgefordert, in München eine Aufführung von Beethovens "Fidelio" zu dirigieren. Der große Erfolg dieser Darbietung führte zu seiner Ernennung zum Leiter der Münchner Staatsoper. Weitere Engagements an die Frankfurter Oper und an das Königliche Opernhaus Covent Garden London folgten. Trotz schwieriger Bedingungen führte er die Häuser zur Weltspitze. Danach folgten Erfolge in Wien, Bayreuth, Berlin. Schließlich begann seine bemerkenswerte Partnerschaft mit dem Chicago Symphony Orchestra (1970 bis 1989), mit dem er über 1.000 Konzerte bestritt und mehr als 150 Plattenaufnahmen einspielte.
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