BR-KLASSIK

Hämeenlinna, 8. Dezember 1865. Johan Julius Christian Sibelius wird geboren. Er gilt als der finnische Nationalkomponist schlechthin, er selbst sah sich jedoch lieber als Kosmopolit: Johan Julius Christian Sibelius. Die Familie nennt ihn Janne, die Musikwelt Jean.

Jean Sibelius lernt in Wien und Berlin, hört Wagners "Parsifal" in Bayreuth und wird mit 20 vom Geiger zum Komponisten. Was ihn inspiriert, sind die Sagen und die Natur seiner finnischen Heimat, die skandinavische Weite, die Rufe der wilden Vögel. Er schreibt Stücke wie die "Karelia-Suite", die "Lemminkäinen-Suite" sowie die "Kuolema-Suite". Und er komponiert sieben Symphonien.

In Zentral-Europa entstehen damals parallel Werke wie Mahlers Symphonien, Strauss' "Salome" und Puccinis "Bohème". Berg und Schönberg etablieren die Atonalität. Mit der kann der Finne partout nichts anfangen. Das macht ihn, den Eigenbrötler aus dem hohen Norden, zum Solitär. Keinen reizt das mehr als Theodor W. Adorno, der ihn 1938 in einer Glosse zum musikalischen Stümper diskreditiert:

"Es werden als Themen irgendwelche völlig unplastischen und trivialen Tonfolgen aufgestellt, diesen Tonfolgen widerfährt sehr früh ein Unglück, etwa wie einem Säugling, der vom Tisch herunterfällt und sich das Rückgrat verletzt. Sie können nicht richtig gehen. Sie bleiben stecken."

Deutschlands Musik-Avantgarde wird dieser Polemik Jahrzehnte folgen. Englands und Amerikas Musiker verhaken sich in der theoretisch-ideologischen Kontroverse kaum: John Barbirolli, Eugene Ormandy, Leopold Stokowski und Leonard Bernstein bringen Sibelius Symphonien und symphonische Dichtungen einem großen Publikum zu Gehör. Und doch dauert es bis weit ins 20. Jahrhundert, bis Jean Sibelius im Konzertsaal etabliert ist. Und bis ein Komponist wie Morton Feldman ausgerechnet bei den Ferienkursen für Neue Musik in Darmstadt über Sibelius 5. Symphonie sagen wird: