Dieses Konzert löste schon vor der Premiere heftigen Streit aus: Einer der Orchestermusiker nannte es eine "Dilettantenarbeit". Daraufhin wurde er von den anderen fast verprügelt. Heute erntet dieses Werk allgemeine Anerkennung, gerade die Klarinettisten schätzen es sehr – es ist das Erste Klarinettenkonzert von Carl Maria von Weber. Sabine Meyer stellt dieses Starke Stück vor.
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"Gerade das Erste Konzert spiele ich eigentlich lieber als das zweite, welches noch opernhafter ist. Das Erste Konzert ist melancholischer. Es hat wunderschöne Kantilenen." Klarinettisten auf der ganzen Welt buhlen auf den Konzertpodien darum, wer Carl Maria von Webers Klarinettenkonzert Nr. 1 am virtuosesten spielen kann. Der erste Solist, der es je gespielt hat, war Joseph Heinrich Bärmann. Ihm hat Carl Maria von Weber dieses Konzert gewidmet. Joseph Heinrich Bärmann war der führende Klarinettist seiner Zeit – und spielte ein ganz modernes Instrument mit zehn Klappen statt der üblichen fünf. Bärmann konnte das Konzert zehn Jahre lang ganz allein immer wieder spielen. Erst nach dem großen Erfolg von Webers Oper "Der Freischütz" ging das Erste Klarinettenkonzert in den Druck und stand damit allen Klarinettisten offen.
Bärmann muss ein wunderbarer Musiker gewesen sein, weil er auch herrliche gesangliche Kantilenen geschrieben hat.
Sabine Meyer, Klarinettistin | Bildquelle: Thomas Rabsch "Es ist schon beeindruckend, was für ein Instrument Bärmann zur Verfügung gehabt hat, sagt Sabine Meyer. "Das ist ein modernes Instrument, damit konnte man schon chromatisch und enorm virtuos spielen. Und er muss ja auch ein wunderbarer Musiker gewesen sein, weil er auch herrliche gesangliche Kantilenen geschrieben hat." Bärmanns wunderbare Kantilenen, also sangliche Melodien, sind auch in Webers Konzert mit eingeflossen. Beide – Klarinettist und Komponist – waren gut befreundet und arbeiteten eng zusammen. Bärmann spielte damals in der Münchner Hofkapelle, und der König selbst hatte Weber den Auftrag für die beiden Klarinettenkonzerte gegeben, als Anfertigung für seinen hochgeschätzten Solomusiker. Nachdem Bärmann dieses Konzert nun bearbeitet hatte, war es technisch wesentlich weiter entwickelt als etwa das Klarinettenkonzert von Wolfgang Amadeus Mozart. Sabine Meyer sagt: "Weber hat es ja sehr schlicht komponiert; erst Heinrich Baermann hat die Kadenz hinzugefügt, außerdem viele Ornamente, Triller und Verzierungen. Es ist auf diese Weise ein ganz anderes, neues Werk entstanden durch Baermann, der mehr auf Virtuosität gesetzt hat."
Der zweite langsame Satz ist hochromantisch. Auch für Joseph Heinrich Bärmann war er wohl sehr stimmungsvoll, denn er ließ ihn in einer Gedächtnisfeier für Weber im Jahr 1831 aufführen. Dabei wurden die Hornstimmen mit Text unterlegt und von Männern gesungen. "Der langsame Satz ist wunderschön", begeistert sich Sabine Meyer. "Gerade der Teil mit den drei Hörnern in der Mitte, der fast wie ein Choral klingt."
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Die feierliche Stimmung dieses zweiten Satzes wird im Konzert dann ganz plötzlich durch den Schlusssatz vertrieben. Er beginnt hemdsärmelig wie ein Volkstanz und sprüht förmlich vor Lebensfreude. "Der letzte Satz ist sehr witzig und spritzig und hat ganz feinen Artikulationen und ein furioses Ende", beschreibt Sabine Meyer dieses Finale. "Das ist ein sehr schönes Stück, das auch für die Klarinette geschrieben ist und nicht gegen sie. Weber kannte sich schon aus, und er hatte Kontakt mit Bärmann, sie haben zusammen gesprochen, wie was funktioniert auf dem Instrument und was nicht so gut klingt."
So viel Gemeinschaftsarbeit stellt die Solisten heute natürlich vor die Frage, wie sie es mit der Werktreue halten wollen. Die Klarinettistin Sabine Meyer findet, jeder Klarinettist sollte sich zumindest Webers Originalhandschrift anschauen, um zu erfahren, wie er das Werk ursprünglich angelegt hat. Sie hat auf diese Weise ihren ganz persönlichen Mittelweg gefunden: Sie spielt nicht alle Verzierungen, die Bärmann eingefügt hat, sondern lässt einige schlicht weg und spielt die Stellen so, wie Weber sie komponiert hat. Aber Bärmanns Kadenzen benutzt sie durchaus: "Ich glaube, dass die beiden schon so eng zusammengearbeitet haben, dass Baermann nichts gegen den Willen von Weber gespielt hat und diese Kadenzen durchaus auch im Sinne von Weber gewesen sind."
Carl Maria von Weber:
Konzert für Klarinette und Orchester Nr. 1 f-Moll, op. 73
Sabine Meyer (Klarinette)
Staatskapelle Dresden
Leitung: Herbert Blomstedt
Label: Warner
Sendung: "Das starke Stück" am 24. Oktober 2023, 19.05 Uhr auf BR-KLASSIK