Wien, 5. November 1955. Es ist das Großereignis des Jahres. Die Spitze der österreichischen Bundesregierung ist da, Ehrengäste aus der ganzen Welt sind angereist, zahlreiche Künstler sind geladen. Vor dem Opernhaus verfolgen tausende Menschen über Lautsprecher die Wiedereröffnungsfeier der Wiener Staatsoper. Die Wiener Philharmoniker spielen, Staatsoperndirektor Karl Böhm dirigiert.
Bildquelle: © Wiener Staatsoper/Michael Pöhn
Das Kalenderbaltt anhören
Dass an diesem Abend ausgerechnet Beethovens Befreiungsoper “Fidelio” erklingt, ist ein starkes Symbol. Noch siebzehn Jahre vorher ließen die Nazis “Fidelio” spielen, bei ihrem Einmarsch in Österreich. Aber auch die Befreiung Österreichs vom Nationalsozialismus 1945 wurde mit “Fidelio” gefeiert. Und nun die Wiedereröffnung der Staatsoper. Die New Yorker Zeitung “Herald Tribune” reflektiert:
Die Eröffnung ist sowohl ein Zeichen für die physische Rehabilitierung Österreichs als auch seine Befreiung von jahrelanger Besetzung durch fremde Mächte.
Der Schrecken dieser jahrelangen Besetzung sitzt tief bei den Mitgliedern der Oper. Zahlreiche Kollegen werden damals vertrieben, verfolgt, ermordet. Viele Werke dürfen nicht mehr gespielt werden. Dann, im März 1945, der Fliegerangriff auf die Stadt: Das Stammhaus der Oper an der Ringstraße wird von Bomben verwüstet. Fast der gesamte Requisitenbestand und 150.000 Kostüme verbrennen. Orchester und Sänger müssen auf die Volksoper und das Theater an der Wien ausweichen. Gleichzeitig beginnt der Wiederaufbau des Opernhauses.
Aus seinem Inneren werden wieder gottvolle Musik und bezaubernder Gesang ertönen - das prophezeit der damalige Staatssekretär Julius Raab. 260 Millionen Schilling kostet dieses “größte und edelste staatliche Wiederaufbauvorhaben”, wie Handelsminister Udo Illig es ausdrückt. Ganz Österreich verfolgt den Fortgang auf der Baustelle und die Arbeit der Architekten um Erich Boltenstern.
Aus seinem Inneren werden wieder gottvolle Musik und bezaubernder Gesang ertönen.
Zehn Jahre nach dem Bombenangriff steht sie wieder, die Wiener Staatsoper. Mit 1.700 Sitzplätzen und knapp 600 Stehplätzen. Das Wahrzeichen der neuerstandenen 2. Republik. Und bis heute eines der wichtigsten Opernhäuser der Welt.
Unsere Reihe "Was heute geschah" zu bemerkenswerten Ereignissen der Musikgeschichte können Sie auch um 8.30 Uhr und um 16.40 Uhr auf BR-KLASSIK im Radio hören. Weitere Folgen zum Nachhören finden Sie hier.