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15. Februar 1965 – Zimmermanns "Soldaten" werden uraufgeführt Ein Zaungast wird zum Star

Köln, 15. Februar 1965: Bernd Alois Zimmermanns Oper "Die Soldaten" wird uraufgeführt. Eine Geburt mit Hindernissen. Erst nach vielen Umarbeitungen und noch mehr Proben ist es soweit. Der Komponist ist komplett ausgelaugt. Doch die Mühen haben sich gelohnt. Mit den "Soldaten" wurde Zimmermann fast so etwas wie ein Star.

Bildquelle: picture-alliance / dpa | Otto Noecker

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(Bild: Bernd Alois Zimmermann (l.) und Michael Gielen im Vorfeld der Uraufführung der "Soldaten")

Die Zeit ist eine Kugel. Wenn es stimmt, was Bernd Alois Zimmermann annahm. "Denn kraft höchster Organisation der Zeit wird diese selbst überwunden und in eine Ordnung gebracht, die den Anschein des Zeitlosen erhält." Grob vereinfacht: Alles geschieht gleichzeitig, Zukunft, Vergangenheit und Gegenwart sind in der Kugelgestalt der Zeit gebunden. Ein Gedanke, den Zimmermann in den 1950er Jahren zu einer Kompositionstheorie entzwiebelt, die viele seiner Werke trägt. Aber keins so sehr wie seine "Soldaten".

Zitate aus allen Stilepochen

Selbst Michael Gielen, der die Uraufführung dirigiert, gibt irgendwann in einem Interview zu, nie so richtig verstanden zu haben, was Bernd Alois Zimmermann eigentlich gemeint habe mit der Kugelgestalt der Zeit. Vielleicht hilft das hier: Zimmermann selbst empfahl, sich einzulassen auf "das Spontane, Assoziative, Traum- und Trancehafte", um die Kugelgestalt zu verstehen. Vielleicht hilft es auch, die literarische Vorlage der "Soldaten" zu lesen: das gleichnamige Drama des Sturm-und-Drang-Autors Jakob Michael Lenz. Die vieraktige Oper ist jedenfalls 1960 fertig. Bernd Alois Zimmermann zitiert darin viel Musik aus allen möglichen Zeiten und Stilepochen. Er kombiniert, verpuzzelt und collagiert.

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Michael Gielen über DIE SOLDATEN | Bildquelle: BayerischeStaatsoper (via YouTube)

Michael Gielen über DIE SOLDATEN

Zimmermanns schroffe Haltung

Was folgt, sind fünf lange Jahre voller Kampf: Sängerinnen kämpfen gegen unsingbare Passagen, Musiker mit der wild-dissonanten Partitur, Dirigenten mit unleserlichen Noten und zahllosen Tonband- und Videozuspielungen. Halsbrecherisch das alles. Und zur szenischen Umsetzung hat Zimmermann auch eine eher schroffe Haltung: "Ich persönlich sehe kein Bühnenbild bei dem Stück außer Menschen, die vor schwarzen Abgründen des Seins stehen, das sie aufnehmen wird, mit welcher Kraft auch immer sie sich dagegen wehren." Nach vielen Umarbeitungen und noch mehr Proben ist es dann soweit: in Köln wird die Oper uraufgeführt – und Zimmermann ist fertig mit den Nerven.

Plötzlich eine Jahrhundertoper

Doch es scheint, die Arbeit, das Ringen und Kämpfen, all das hat sich gelohnt. "Die Soldaten" sind Zimmermanns Durchbruch. Dieses unspielbare Stück Musiktheater ist plötzlich eine Jahrhundertoper. Ein sensationsumrauschtes Anti-Kriegs-Stück, mit kakofonisch-krachenden Klängen, mit Figuren so lebendig und zart, dass es einen umhaut. Bei aller Wucht intim und kammerspielartig. Eine Geschichte über Liebe und Brutalität, über Abgründe und Selbstzerstörung. Zimmermann, dieser ehemalige Zaungast der Avantgarde, ist nun ein Star.

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Oper Köln – DIE SOLDATEN von Bernd Alois Zimmermann | Bildquelle: Oper Köln (via YouTube)

Oper Köln – DIE SOLDATEN von Bernd Alois Zimmermann

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Sendung: "Allegro" am 15. Februar 2022 ab 06:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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