In Bliesheim bei Köln geboren, wächst Bernd Alois Zimmermann zu einem unzeitgemäßen Außenseiter zwischen der Musik der Weimarer Republik und der Neuen Generation der Darmstädter Schule heran. Und seine überwältigend expressive, klangsinnliche Musiksprache rüttelt auf wie kaum eine andere ihrer Zeit. Am 20. März wäre Zimmermann 100 Jahre alt geworden.
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Zunächst sind es Hörspielmusiken, Konzerte und Sonaten, die Bernd Alois Zimmermann komponiert. 1965, nachdem er immer klarer zu einem universellen, über die absolute Musik weit hinausgehenden Kunstbegriff gefunden hat, folgt der Durchbruch mit seiner ersten Oper: "Die Soldaten" nach Jakob Lenz.
Bernd Alois Zimmermann (l.) unterhält sich mit dem Dirigenten Michael Gielen am Rande einer Probe für die Uraufführung der "Soldaten" 1965. | Bildquelle: picture-alliance/dpa Zimmermann erntet internationalen Ruhm. Seine pluralistische Kompositionsästhetik, eine Weiterentwickelung des seriellen Komponierens, findet in den "Soldaten" eine einzigartige Umsetzung. Die Oper weitet das Einzelschicksal einer Frau zur universellen Apokalypse der Menschheit: durch Simultanszenen, Film- und Bandzuspielungen, Zitatcollagen.
"Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft sind lediglich in ihrer Erscheinung als kosmische Zeit an den Vorgang der Sukzession gebunden. In unserer geistigen Wirklichkeit existiert diese Sukzession jedoch nicht. Die Zeit biegt sich zu einer Kugelgestalt zusammen. Aus dieser Vorstellung habe ich meine sogenannte pluralistische Kompositionstechnik entwickelt, die der Vielschichtigkeit unserer musikalischen Wirklichkeit Rechnung trägt", so der Komponist.
Die Zeit biegt sich zu einer Kugelgestalt zusammen.
Heute ist der Name Bernd Alois Zimmermann untrennbar mit seiner Oper "Die Soldaten" verknüpft. Nachdem die Urfassung noch 1960 von der Kölner Oper abgelehnt worden war, gilt das Werk inzwischen als Klassiker des Musiktheaters im 20. Jahrhundert.
Michael Gielen, der Dirigent der Uraufführung von 1965 erinnert sich, welchen Eindruck "Die Soldaten" auf ihn machten: "Er hatte mir den ersten Akt geschickt, der war gedruckt. Und mir war klar, dass das ein Meisterwerk ist - eine der ganz wenigen Opern des 20. Jahrhunderts, die meines Erachtens bleiben wird. Also, dass sind "Wozzeck" und "Lulu" und "Moses und Aron" und "Die Soldaten" und dann fällt mir schon nichts mehr ein, was auf diesem Niveau liegt. Also sagte ich 'Ja' und bekam allmählich das Manuskript, die restlichen Seiten. Nun sind es sehr komplexe Partituren mit wahnsinnig vielen Stimmen, wahnsinnig vielen Noten, wahnsinnig vielen Sängern. Das war schon sehr schwierig zu studieren."
Viele Werke Zimmermanns stoßen an die Grenzen der Aufführbarkeit. So verwirklicht er im "Requiem für einen jungen Dichter" die Idee der pluralistischen Kompositionstechnik auch im Konzertsaal: ein riesenhafter Klangapparat, Tondokumente von Mao, Hitler, Stalin, Nagy und Dubcek, Sprecher, die live und vom Band Texte aus der Bibel bis hin zu Kurt Schwitters zitieren.
Im Dezember 1969, wenige Monate bevor er schwerkrank und künstlerisch vereinsamt freiwillig aus dem Leben scheidet, erklingt die Uraufführung dieses beeindruckenden "Linguals" über das 20. Jahrhundert - ein großes Dokument der Klage und Anklage, erfüllt von Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung.
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