Mariss Jansons
Am 14. Januar 1943 in Riga geboren, wuchs Mariss Jansons in Leningrad auf. Der Schüler von Hans Swarowsky und Herbert von Karajan arbeitete unter Jewgenij Mrawinskij bei den Leningrader Philharmonikern, bevor er Chefpositionen in Oslo und Pittsburgh übernahm. Bis 2015 war Jansons neben seinem Münchner Engagement zusätzlich Chef beim Amsterdamer Concertgebouworkest. Unter anderem mit Symphonien von Schostakowitsch und Beethoven sowie seltenen Opernprojekten gelangen ihm herausragende musikalische Sternstunden.
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Das Wunder von Oslo wurde erst Ende des vergangenen Jahrhunderts so richtig wahrgenommen: Dann nämlich konnte Mariss Jansons die Ernte seiner zwanzigjährigen Aufbauarbeit beim Oslo Philharmonic Orchestra einfahren. Die Früchte sind in seiner reichen Diskografie mit den Norwegern dokumentiert, die Komponisten bildeten auch Schwerpunkte seines Repertoires: Sibelius, Brahms, Dvořák, Ravel, Bartók und vor allem die russischen Symphoniker. Und schon damals arbeitete sich Jansons an dem Titan ab, der ihn bis zuletzt faszinierte: Gustav Mahler.
Später konnte Jansons sowohl in Amsterdam als auch in München auf die große Mahler-Tradition beider Spitzenorchester bauen. Aus seiner Zusammenarbeit mit dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks ragt ein spektakuläres Projekt: sein detailgenauer, klassisch ausgewogener Beethoven-Zyklus von 2012. Darin fand Jansons einen goldenen Mittelweg zwischen großorchestraler Wucht und historischer Überlieferung.
"Ich glaube - wenn man überhaupt von 'richtig‘'oder 'falsch' sprechen kann -, das richtige Tempo liegt in der Mitte. Wenn man von Beethovens Metronomangaben stark abweicht, dann zerstört oder stört man das, was Beethoven ausdrücken wollte: seine Ideen, sein Tempo, seinen Puls, seine Energie. Aber nicht, wenn man es ein bisschen langsamer nimmt, denn die Metronomangaben bei Beethoven sind wirklich sehr schnell! Und manche sind so schnell, dass man sie korrigieren muss."
Ebenso exemplarisch lotete Jansons mit seinen Münchner Musikern die großräumige Klangarchitektur Bruckners und die herausfordernde Virtuosität der Orchesterwerke von Richard Strauss aus.
Mariss Jansons | Bildquelle: picture-alliance/dpa Absolute Highlights waren seine eher seltenen Ausflüge in das Operngenre. Tschaikowskys "Pique Dame" oder Schostakowitschs "Lady Macbeth von Mzensk" bei den Salzburger Festspielen. Überhaupt Schostakowitsch: Unter seinem strengen Leningrader Lehrmeister Jewgenij Mrawinskij entwickelte sich Mariss Jansons zu einem der wichtigsten Schostakowitsch-Interpreten unserer Zeit. Seine Gesamtaufnahme der fünfzehn Symphonien, die er mit acht internationalen Toporchestern realisierte, hat Maßstäbe gesetzt. Mit der ihm eigenen Mischung aus Analyse und Klangsinn, aus Präzision und Leidenschaft ist Jansons der ideale Kandidat für die Doppelbödigkeit von Schostakowitschs Musik - der erzwungene Jubel am Ende der Fünften Symphonie ist dafür ein schlagendes Beispiel.
"Es scheint so, als sei das eher optimistisch. Aber wenn man das berühmte Ende analysiert, dann stellt sich natürlich die Frage nach der Interpretation. Wenn man das als optimistisches Ende deutet, finde ich das nicht richtig. Es gibt zwar optimistische Momente, denn die Musik zeigt, dass der Held oder der Mensch in der Gesellschaft, der gegen diese Gesellschaft um seine Existenz kämpfen muss, stark genug ist und noch Energie hat, um weiterzukämpfen. Aber dieses optimistische Element kann man nicht als endgültigen Sieg verstehen."