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Jansons und die Musik von Schostakowitsch Ausdruck existenzieller Erfahrungen

Die Symphonien von Dmitrij Schostakowitsch begleiten Mariss Jansons schon sein ganzes Leben, er trägt diese Musik im Blut. Das erleben die Musiker des BR-Symphonieorchesters in den Proben zur Siebten Symphonie.

Bildquelle: Krzysztof Meyer: "Schostakowitsch. Sein Werk, seine Zeit", Bergisch Gladbach 1995

Mariss Jansons probt

Schostakowitschs "Leningrader" mit dem BR-Symphoniorchester

Für Mariss Jansons ist der Komponist Dmitri Schostakowitsch einer der ernsthaftesten und aufrichtigsten Komponisten überhaupt. Insbesondere die Symphonien berühren und fesseln den Dirigenten, denn diese Musik ist wie kaum eine andere erschütterndes Zeugnis einer schweren politschen Epoche und zugleich zeitloser Ausdruck existenzieller menschlicher Empfindungen und Erfahrungen.

Innerhalb von 17 Jahren hat Jansons alle 15 Symphonien eingespielt - jeweils mit dem Orchester, dem er zum damaligen Zeitpunkt künstlerisch vebunden war. Mit dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks nahm er sechs Symphonien auf und vollendete damit 2006 den gesamten Zyklus - rechtzeitig zum 100. Geburtstag des Komponisten.

Jansons als Zeitzeuge

Schon als kleiner Junge besuchte er die Proben der Leningrader Philharmoniker. Sein Vater, Arvid Jansons, arbeitete dort als Assistent des Dirigenten Jewgeni Mrawinski, der die meisten Werke seines Freundes Dmitri Schostakowitsch zur Uraufführung brachte. Dem Komponisten so nah zu sein, ist ein Geschenk, findet Radoslaw Szulc, Konzertmeister des Symphonieorchesters:

Maestro Jansons ist eigentlich ein Zeitzeuge. Es ist einfach sehr faszinierend, dass uns nicht nur die Noten so klar beigebracht werden, sondern auch die Bedeutung hinter den Noten.
Radoslaw Szulc

Mariss Jansons arbeitet beharrlich an den musikalischen Feinheiten, sortiert die Klangfarben, werkelt an der Balance. Immer wieder teilt er das Orchester in einzelne Stimmgruppen auf, lässt Motive solistisch spielen, schärft Rhythmus und Dynamik. Aber diesmal geht Jansons auch weit über technische Fragen hinaus. Es scheint ihm wichtig, das weiterzugeben, was er in Schostakowitschs Werk liest, seine Deutung auch in konkreten Bildern zu vermitteln:

Radoslaw Szulc berichtet von der Orchester-Probe zu Schostakowitschs Siebten:

"Dann erzählt er plötzlich, dass man im 2. Satz zum Beispiel nicht lustig spielen soll, sondern wie ein Mensch, der auf Zehenspitzen geht und eigentlich sich selbst verleugnet, weil alles Drumherum verboten ist. Und dann plötzlich ändert sich da was und das Orchester klingt ganz anders. Es ist eine Dimension da, die man eigentlich nirgendwo in der Partitur finden oder nirgendwo nachlesen kann. Das kann man nur jetzt in diesem Augenblick bekommen. Und das ist das Besondere an dieser Arbeit."

Verschiedene Lesarten von Schostakowitschs Siebter Sinfonie sind in der Musikgeschichte diskutiert worden. Der Komponist selbst klärt in seinen Memoiren auf, sein Werk sei Musik gegen den Faschismus - gegen jeden Faschismus! Dieses Werk sei also auch als Kritik an Stalin und am eigenen System zu werten, betont Mariss Jansons und erklärt die Zweideutigkeit musikalisch:

Das Ende in C-Dur klingt wie ein Sieg, ist aber eine Aufforderung, weiter zu kämpfen.
 Mariss Jansons

Sie nimmt einen mit, Schostakowitschs Siebte. Die Sinfonie fordert nicht nur von den über 100 Musikern des Symphonieorchesters technisch und geistig alles ab - sie berührt auch den Zuhörer unmittelbar. So intensiv treffen liebliche, einlullende Melodien der Holzbläser auf brachiale, brutale Klangflächen. 

Man merkt, dass Jansons ganz genau den Geist der Musik verstanden hat, beziehungsweise sogar im Blut hat. Er hat das alles aufgesogen und gibt es jetzt weiter.
Radoslaw Szulc

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