"Lady Macbeth von Mzensk" - das ist die Geschichte einer Mörderin, es ist aber auch die Geschichte einer Emanzipation. Sex, Blut und Gewalt prägen das Bühnengeschehen - Dmitrij Schostakowitschs Oper war zu Sowjet-Zeiten lange verboten. Unser Kritiker Fridemann Leipold hat die Premiere der neuen Produktion der "Lady Macbeth" für die Salzburger Festspiele miterlebt.
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Ein neureich eingerichtetes Schlafzimmer, an der Wand eine Ikone. Im Ehebett eine Frau, die nicht schlafen kann: Katerina, die sich nach Liebe sehnt. Aber ihr Mann Sinowi hämmert im Nebenzimmer nur verdruckst in die Tastatur eines alten Computers. Kein Wunder, dass Katerina dem Kraftprotz Sergej umstandslos verfällt. Im virilen Tenor Brandon Jovanovich findet er seinen idealen Interpreten.
Ein labyrinthisches Gewirr von Treppen beherrscht das Bühnenbild | Bildquelle: © Salzburger Festspiele / Thomas Aurin
Immer wieder schiebt Bühnenbildner Harald B. Thor private Räume filmisch in die trostlose sozialistische Häuserschlucht, die er auf die Salzburger Breitwandbühne gewuchtet hat. Ein labyrinthisches Gewirr von Treppen und Balkonen verengt sich nach hinten, es gibt keinen Ausweg. In diesem Hinterhof-Ambiente erzählt der Regisseur Andreas Kriegenburg die Emanzipationsgeschichte der Katerina Ismailowa, die aus Liebe zur Mörderin wird, routiniert am Libretto entlang. Drastisch choreographierte Massenszenen und Gewaltorgien wechseln mit intimen Szenen einer Ehe, wobei Kriegenburg auch die berüchtigte Beischlafszene ohne Peinlichkeiten bewältigt.
Die Salzburger "Lady Macbeth" in Bildern.
Die ätzende Polizei-Satire versandet bei ihm jedoch in harmloser Beschäftigungs-Therapie der kochenden, strickenden und malenden Beamten – Groteske sieht anders aus. Leider lässt Kriegenburg diesmal seine Lust an expressionistischer Komik vermissen und setzt ganz auf pittoresken Bühnenrealismus. Er reiht einfach Genrebilder aneinander, wobei sich die Frage stellt, ob man dem grellen Kaleidoskop von Schostakowitsch damit gerecht wird. Dank ausgefeilter Personenregie gelingen Kriegenburg aber stimmige Charakterporträts wie das des tyrannisch-geilen Schwiegervaters Boris, dem Dmitry Ulyanov machtvolle Statur verleiht.
Nina Stemme als Lady Macbeth | Bildquelle: © Salzburger Festspiele / Thomas Aurin
Bis in die vielen Nebenrollen hinein ist die Salzburger Neuproduktion der „Lady Macbeth von Mzensk“ exzellent besetzt, zum Großteil mit russischen Solisten. Herausragend der besoffene Pope des Stanislav Trofimov oder die frivole Sonetka der Ksenia Dudnikova, Katerinas Rivalin, die sie am Ende mit in den Tod reißt. Hier, im Requiem-artigen Schlussbild, das Gefangene in einem Durchgangslager auf dem Weg nach Sibirien zeigt, hat die Titelheldin Nina Stemme ihre innigsten Momente. Die hochdramatische Sopranistin ist doch mehr Tragödin als Lady Macbeth oder Luder, das Vulgäre und Monströse der Figur, ihre Lust und Lebensgier nimmt man der Stemme weniger ab.
Im Gegensatz zur Regie lotet Dirigent Mariss Jansons den doppelbödigen Charakter dieser "Tragödien-Satire", wie Schostakowitsch seine Oper genannt hat, grandios aus. All seine Schostakowitsch-Erfahrung kann Jansons hier einbringen, brillant arbeitet er die Instrumentations-Finessen, die Schärfen und Schönheiten dieser Musik zwischen Kirmes und Operette, zwischen Lyrik und Pathos heraus. Und die Wiener Philharmoniker bieten zarten Streicher-Schmelz und fantastische Bläser-Soli. Mit nie nachlassender rhythmischer Energie treibt Jansons das fatale Geschehen voran, vor allem die symphonischen Zwischenspiele geraten ihm zu Glanznummern. Ein packender Abend, der für Jansons zum Triumph wird.
Dienstag, 08.08.2017, 20.03 Uhr
Mitschnitt vom 2. August 2017
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