Festspielzeit 2024
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Mit einer absoluten Rarität eröffneten die Bregenzer Festspiele am 20. Juli: "Amleto" des Verdi-Zeitgenossen Franco Faccio. Erst im Jahr 2002 wurde die verschollen geglaubte Oper von dem amerikanischen Dirigenten Anthony Barrese wiederentdeckt - eine spannende Geschichte. Hier können sie die Bregenzer Aufführung auf BR-KLASSIK online nachhören.
Bildquelle: ©Bregenzer Festspiele/Karl Forster
"Essere o non essere" - das ist hier die Frage: Einen ungestümen, leidenschaftlichen Hamlet präsentieren der Komponist Franco Faccio und der Librettist Arrigo Boito in ihrer Oper "Amleto": Sie beginnt mitten im grellbunten Krönungsfest für den neuen König Claudius. Hamlet kann seine dunkle Ahnung, dass Claudius seinen Vater ermordet und sich dessen Krone und Frau zu Eigen gemacht hat, nur schwer zurückhalten. Aus Claudius' Trinklied wird ein zynisches Requiem für die Verstorbenen. Geschickt und effektvoll unterlaufen Faccio und Boito die Konventionen der italienischen Oper, die sie aus dem Geist von Shakespeares Drama erneuern wollten. Mit großer Sensibilität und poetischer Kraft schuf Boito einen faszinierenden Operntext - sein erstes Shakespeare-Libretto, dem später "Otello" und "Falstaff" für Giuseppe Verdi folgen sollten.
Der "Amleto"-Komponist Franco Faccio | Bildquelle: OBA Nach der Uraufführung in Genua 1865 und einer Neuproduktion sechs Jahre später an der Mailänder Scala, die wegen der starken Indisposition des Hamlet-Darstellers im Fiasko endete, verschwand "Amleto" vollkommen von der Bildfläche. Kurioserweise hat der nur imposante Trauermarsch für Ophelias Tod als jährliches Osterritual auf der griechischen Insel Korfu überlebt. Komponist Franco Faccio zog das Werk enttäuscht zurück, schrieb nie mehr eine Note und machte fortan "nur" noch als großer Verdi-Dirigent von sich reden.
Erst 2002 stieß der amerikanische Dirigent Anthony Barrese auf die verschollene Oper. Er begann mit der aufwändigen Restaurierungsarbeit der Partitur und initiierte eine Teilaufführung an der Sarasota Opera: "Wir hatten ganz sicher das Gefühl, etwas Einzigartiges zu machen, und die Sänger legten eine leidenschaftliche Vorstellung hin", beschreibt Barrese die Stimmung auf der Website "Amleto Project".
Unter Hinzuziehung vieler weiterer Quellen erstellte Barrese in den folgenden Jahren eine vollständige kritische Edition. Im Oktober 2014 gelangte diese Fassung unter Barreses Leitung an der Opera Southwest in Albuquerque (New Mexico) zur szenischen Aufführung. Dass die Bregenzer Festspiele "Amleto" heuer zurück nach Europa holten, war kein Zufall: Intendantin Elisabeth Sobotka hatte ihr Musikwissenschaftsstudium mit einer Arbeit über Franco Faccio abgeschlossen und wusste daher genau, auf welch hochdramatisches, effektvolles Werk jenseits aller melodramatischen Sentimentalitäten sie sich einließ.
Der "Turandot"-Dirigent Paolo Carignani hat sich ebenso für "Amleto" begeistert wie Regisseur Olivier Tambosi. Gemeinsam begaben sie sich in die Welt von nächtlichen Geistererscheinungen, verräterischem Theaterspiel und tragisch endender Liebe. Eine atemberaubende Wiederentdeckung und ein gelungener Theatercoup im Shakespeare-Jahr – da war sich die internationale Presse nach der Premiere im Bregenzer Festspielhaus am 20. Juli einig!
Franco Faccio:
Amleto (Hamlet)
Oper in vier Akten (1865)
Libretto von Arrigo Boito
In italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln
Dienstag, 2. August 2016, 20:03 Uhr
Aufzeichnung der Bregenzer Premiere vom 20. Juli 2016