Operette ohne Happy End: "Das Land des Lächelns" kam 1929 in Berlin heraus und schlägt musikalische Brücken zwischen Europa und China. Aber welche der zahlreichen Interpretationen sind besonders geglückt? Fünf Aufnahmen im Vergleich.
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Er galt als "letzter Operettenkönig": Franz Lehár starb am 24. Oktober 1948 im Oberösterreichischen Bad Ischl im Alter von 78 Jahren. Von der Musikwelt wurde er für seine erfolgreichen Bühnenwerke geadelt, mit denen er über Jahrzehnte das Publikum begeistert hatte. "Die lustige Witwe" machte ihn 1905 weltberühmt.
Das interkulturelle Beziehungsdrama "Das Land des Lächelns" aus dem Jahr 1929 steht an zweiter Stelle der Beliebtheitsskala seiner Operetten, obwohl die Geschichte tragisch endet. Eine junge Wiener Gräfin verliebt sich 1912 in einen chinesischen Prinzen und folgt ihm in sein Land. Doch in Peking wird die Europäerin Lisa nicht als Ehefrau anerkannt, und es warten Pflichten und Ämter auf ihren Mann Sou-Chong. So wird ihre Liebe unerbittlichauf die Probe gestellt.
Bereits 1923 hatte Franz Lehár zu einem Libretto seines Freundes Viktor Léon die heitere Operette "Die gelbe Jacke" nach diesem Sujet komponiert, doch das Stück kam nicht an. 1929 überarbeiteten Fritz Löhner-Beda und Ludwig Herzer den Text und Lehár schrieb ein paar neue Nummern für "Das Land des Lächelns". Die Liebesgeschichte endet nun mit der Trennung des Paares, doch die Premiere am 10. Oktober 1929 im Berliner Metropoltheater wurde trotzdem ein Riesenerfolg. Auch weil Startenor Richard Tauber die Rolle des chinesischen Prinzen Sou-Chong verkörperte. Das Werk wurde mehrfach verfilmt, und es gibt neben unzähligen Aufnahmen der Hits "Dein ist mein ganzes Herz" und "Immer nur lächeln" zahlreiche Gesamtaufnahmen.
Der Film aus dem Jahr 1930 erzählt nicht eins zu eins die Handlung der Operette, sondern baut eine Rahmenhandlung ein, die sich bald mit dem Operettengeschehen vermischt. Interessant an dieser mit technischen Tricks digitalisierten Filmaufnahme ist vor allem die musikalische Seite. Paul Dessau dirigiert die zahlreichen eingespielten Musiknummern aus der Lehár-Operette, und man kann Richard Tauber als international erfolgreichen Startenor dieser Zeit in Aktion erleben. Das hat enorm viel Pathos und versucht auch gar nicht, einer fernöstlichen Realität ansatzweise nahezukommen. Die Tauber-Fans konnten ihren Star nun im Kino hautnah erleben. Ein beeindruckendes Dokument der Anfänge des Tonfilms und eine Referenz für alle folgenden Interpretationen.
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Richard Tauber in "THE LAND OF SMILES' 1930 film (excerpts) in color
Die Gesamtaufnahme aus dem Jahr 1967 kommt leichtfüßig und in einer exzellenten Besetzung daher, die auch den gesprochenen Dialog mühelos und natürlich meistert. Das ist eine Ausnahme in allen Gesamtaufnahmen dieser Operette. Willy Mattes und das Symphonieorchester Graunke gehen temporeich und mit sparsam, aber wirkungsvollen wuchtigen Akzenten durch Lehárs dick orchestrierte Partitur. So kommen die leichten, aber strahlenden Stimmen von Annelies Rothenberger und Nicolai Gedda als Hauptpaar bestens zur Geltung. Renate Holm als Mi verleiht der Figur der chinesischen Prinzessin mit lyrischer Stimmgebung besonders viel Tiefe. Hier macht jede Szene Spaß beim Zuhören.
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Nicolai Gedda, Anneliese Rothenberger, Das Land des Lächelns (The Land of Smiles), Lehar
Ordentlich Hall und ordentlich viel Zeit für Pathos. Das war 1971 die Maxime, unter der Robert Stolz in Berlin "Das Land des Lächelns" mit der damaligen Starbesetzung eingespielt hat. Rudolf Schock hatte bereits 1948 den verstorbenen Richard Tauber in London ersetzt und konnte in jungen Jahren auf der Bühne und auch stimmlich mitreißen wie kein zweiter. In den 1970er Jahren war er bereits stimmlich ermüdet, was auf dieser Aufnahme hörbar ist. Margit Schramm wirkt dagegen als Lisa etwas zu schlank und hat mit den saftig schwelgenden Berliner Symphonikern ihre Mühe. Es steckt viel Wagner in diesem Lehár, doch auch dieser Klang hat eine Generation geprägt.
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Lehár "Das Land des Lächelns-Gesamtaufnahme" Schock/Schramm/Stolz
Ein Wagner-Tenor und eine amerikanische Sopranistin sind hier die Hauptfiguren Sou-Chong und Lisa. Siegfried Jerusalem kann im Tenor-Wettstreit um die würdige Tauber- Nachfolge gut mithalten, seine gute Tiefe passt hervorragend in die häufig parlierende Operetten-Lage. Doch fehlt gelegentlich der Glanz in den höheren Passagen, den andere Kollegen vorweisen können. Helen Donath nimmt man den jugendlichen Übermut und Überschwang der Lisa sofort ab, doch ihren amerikanischen Akzent kann sie dann doch nicht ganz ablegen, was besonders in den Dialogen auffällt. Willi Boskovsky und das Münchner Rundfunkorchester gestalten die facettenreiche Partitur abwechslungsreich und nur gelegentlich wird etwas dick aufgetragen. Alles in allem eine solide Leistung.
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Das Land des Lächelns, Act II: Finale. "Mit welchem Recht"
Wer hätte das gedacht: "Land of smiles" steht dem deutschen Original in nichts nach! Kein Wunder, dass das Stück auch im englischsprachigen Raum so beliebt ist. Für diese Gesamtaufnahme aus dem Jahr 1996 hat Tenor Jerry Hadley die Textfassung geschrieben - sehr geschickt und natürlich sängerfreundlich. Das English Chamber Orchestra geht unter Richard Bonyge die Sache richtig fein an: So durchsichtig und elegant klingt Lehár selten. Das federt und verbreitet duftige Leichtigkeit. Jerry Hadley und Nancy Gustafson als Hauptpaar passen stimmlich sehr gut zueinander und finden sowohl überzeugende Farben für die zarten Liebestöne, als auch für das dramatische Ende der Beziehung im Streit. Auch die Buffopartien sind bestens besetzt. A real pleasure!
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Lehár: The Land of Smiles: Overture
Sendung: "Interpretationen im Vergleich" am 24. Oktober 2023 ab 20:05 Uhr auf BR-KLASSIK. Die Sendung können Sie anschließend 7 Tage online nachhören.