"Ich bin Direktor der Hofoper geworden!" - ruft Hugo Wolf lautstark. Austicken würde man das heute wohl nennen, was dem Komponisten am 18. September 1897 passiert. An diesem Tag erfährt er, dass der richtige Direktor der Wiener Hofoper seinen neuesten Opernversuch "Manuel Venegas" nicht auf die Bühne bringen will - Wolf endet daraufhin in einer Irrenanstalt.
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Niemand tickt einfach so aus. Dazu gibt es eine Vorgeschichte. Bei Hugo Wolf war es eine Krankengeschichte. Doch erstmal zur Musik. Eine Oper zu schreiben, das war immer das Ziel von Hugo Wolf gewesen. Schließlich war er von Richard Wagner begeistert. Doch Wolf hatte schon kein Glück bei der Wahl seiner Librettisten. Der "Corregidor", seine einzige Oper, dramaturgisch schwach, 1896 in Mannheim uraufgeführt, wurde mehrfach nachgespielt. Aber nicht in Wien. Dort hatte Hugo Wolf einen schweren Stand. Schuld war er selbst: Hatte er doch in seiner Funktion als Musikkritiker beim Salonblatt so überzogen gegen Brahms gewettert, dass ihm das später nicht nachgesehen wurde. In Wien gab man sich anti-Wölfisch.
1897 wittert Wolf eine neue Chance. Denn sein Jugendbekannter Gustav Mahler steigt an der Wiener Staatsoper vom Kapellmeister zum artistischen Direktor auf. Wolf sucht den Kollegen auf, um ihn zu überzeugen, seine neuste Oper auf die Bühne zu bringen. Aber das Treffen artet in eine Katastrophe aus. Mahler hat gerade die Partitur zu "Der Dämon" von Anton Rubinstein aufgeschlagen. Diese schon recht gut angelaufene Oper möchte Mahler in Wien herausbringen. Wolf, unmäßig, ungerecht wie er ist, schimpft gegen Rubinstein, obwohl er dessen "Dämon" gar nicht kennt. Der Streit eskaliert. Am Ende, so wird kolportiert, läutet Mahler seinem Sekretär, um sich zum Intendanten rufen zu lassen. Wolf schäumt. Er wittert - wie schon oft - eine Intrige. Wäre er Hofoperndirektor, dann wäre alles gut. An der Wohnung von Mahler angelangt, kann die Haushälterin dem eindringenden "neuen Herrn Direktor" gerade noch die Tür vor der Nase zuknallen: "Ich bin Direktor der Hofoper geworden", verkündet Wolf überzeugt.
Bei Hugo Wolf ging es immer hoch und tief. Schaffensrausch und völlige psychische Erschöpfung wechselten sich ständig ab. Von schwacher Konstitution, war er vermutlich an Syphilis erkrankt. An diesem September-Tag halten seine Freunde Wolfs Ausbruch erst für einen Anfall der unheimlichen Art. Doch der Komponist kann sich dauerhaft nicht beruhigen. Zuhause spielt er aus "Manuel Venegas" vor und bricht dabei in Tränen aus. Dann betrinkt er sich. Die ganze Nacht ist er unterwegs, um alle über "sein Amt" zu informieren. Am nächsten Tag macht er sich auf den Weg zu dem berühmten Wagner-Tenor Hermann Winkelmann, den er überreden will, seinen "Manuel Venegas" zu singen. Winkelmann macht sich aus dem Staub. Hugo Wolf droht mit Entlassung.
Sobald Wolf seine Musik vorspielen kann, gerät er in ekstatische Verzückung. Ein Arzt empfiehlt aufgrund paralytischen Schocks die Einweisung in eine Klinik. Nur ist Wolf weit davon entfernt, das für notwenig zu halten. Seine Freunde tricksen ihn aus: Sie machen ihm weis, als neuer Operndirektor müsse er sich seinem Vorgesetzten, dem Obersthofmeister des Kaisers, Fürst Liechtenstein, vorstellen. Dass sie ihn zu einer Klinik fahren, merkt der Getäuschte erst, als ihn die Ärzte ergreifen. "Also hat man Komödie mit mir gespielt?" - fragt Wolf, dann schließen sich hinter ihm die Anstaltstore. Wolf wird noch ein einziges Mal herauskommen, doch nach einem Selbstmordversuch geht er freiwillig in eine Anstalt zurück. Qualvolle Jahre liegen vor ihm. Hugo Wolf stirbt im Februar 1903 aufgrund von progressiver Paralyse in der niederösterreichischen Landesirrenanstalt in Wien.