In der "Tannhäuser"-Inszenierung von Romeo Castellucci, die am 21. Mai an der Bayerischen Staatoper Premiere hat, singt der Tenor Klaus Florian Vogt die Titelpartie. Im Interview spricht er über die Herausforderungen, die diese Rolle bietet - und über den rebellischen, kompromisslosen Charakter des Tannhäuser.
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Das Interview zum Anhören
BR-KLASSIK: Klaus Florian Vogt, Sie sind ja mit Wagner sehr gut vertraut, vor allem mit der Partie des Lohengrin. Der Tannhäuser kommt jetzt für Sie relativ spät. Ist es so, dass Sie sich sagten, jetzt ist es Zeit dafür, oder eher so, dass Sie einfach etwas Neues ausprobieren wollten?
Klaus Florian Vogt: Nun, etwas ganz Neues ist es ja nicht. Für mich ist es ein logischer weiterer Schritt nach den Partien, die ich bis jetzt im Wagner-Fach gesungen habe. Ich hätte den Tannhäuser durchaus schon wesentlich früher singen können, aber ich habe mir das aufgespart, weil diese Rolle stimmlich noch andere, weitere Anforderungen stellt. Da habe ich es vorgezogen, auf den Moment zu warten, in dem meine Stimme mir sagt: OK, jetzt können wir's machen!
Im 'Tannhäuser' ist eine große Bandbreite vorhanden, die man ausschöpfen kann.
BR-KLASSIK: Die drei Akte des "Tannhäuser" sind ja durchaus unterschiedlich, was die stimmlichen Anforderungen angeht. Der dritte Akt stellt mit der Rom-Erzählung für den Sänger der Titelpartie einen harten Brocken dar. Singt man diese Oper in den einzelnen Akten quasi mit einer unterschiedlichen Stimme oder inneren Haltung?
Klaus Florian Vogt: Nein, also ich jedenfalls nicht, zumindest habe ich das nicht vor. Wie sich das hinterher anfühlen wird, kann ich jetzt noch nicht sagen. Das kann man wirklich erst, wenn man den "Ernstfall" durchlebt hat. Was ich vorhabe, ist, es einfach mit meiner Stimme zu singen. Ich sehe da nicht so große Unterschiede zwischen den einzelnen Akten. Es liegt vielleicht lediglich daran, wie dramatisch manche Stellen klingen müssen und wie weit man an anderen Stellen zurückgehen kann. Und das erkenne ich eigentlich in allen drei Akten: dass da eine große Bandbreite vorhanden ist, die man durchaus ausschöpfen kann.
Tannhäuser befindet sich gedanklich immer in einer anderen Welt.
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BR-KLASSIK: Reden wir über die Figur des Tannhäuser. Ist er für Sie ein Rebell, ein Außenseiter, ein Heimatloser oder vielleicht sogar ein Hedonist?
Klaus Florian Vogt: Er ist von allem etwas, glaube ich. Also eine sehr schöne Grundidee ist, dass der immer da, wo er ist, da, wo er sich gerade befindet, möchte er eigentlich in dem Moment woanders sein und ist gedanklich in einer anderen Welt. Dadurch stört er immer oder fällt auf oder kommt in der momentanen Welt, in der Welt, in der er sich gerade befindet, nicht zurecht, ist auffällig oder eckt an - wie immer man das nennen will. Dazu kommt, dass er ein rebellischer Charakter ist, der sich nicht damit zufriedengibt, einfach an eine andere Welt zu denken, sondern dies auch äußert. Wenn beispielsweise im zweiten Akt seine Kollegen beim Sängerfest Quatsch erzählen, dann artikuliert er das auch. Dadurch gerät er oft in Konflikt mit seiner Umwelt.
BR-KLASSIK: Er singt also im zweiten Akt Dinge, die die anderen gar nicht hören wollen oder sich nicht zugestehen, dass sie auch einmal davon singen sollten. Er sprengt also die Grenzen, und wie ich finde, auf eine ähnliche Art wie Stolzing aus den "Meistersingern". Sind diese beiden Charaktere Brüder im Geiste?
Klaus Florian Vogt: Ich erkenne da schon Parallelen: dieses Rebellische, das Sich-nicht-zufrieden-geben mit äußeren Umständen - da bestehen schon Ähnlichkeiten.
Für mich steht der Tannhäuser zwischen Siegmund aus dem 'Ring' und Lohengrin.
BR-KLASSIK: Sind die beiden Partien auch gesangstechnisch ähnlich?
Klaus Florian Vogt: Nun, die Wagner-Partien überlappen sich immer irgendwo, in gewisser Weise. Trotzdem ist der Tannhäuser doch etwas Anderes. Wenn ich an das Duett mit Elisabeth denke, das hat für mich etwas Italienisches, fast Leichtes, und das habe ich bei den anderen Wagner-Partien bislang nicht entdecken können. Für mich steht der Tannhäuser sozusagen zwischen der Rolle des Siegmund aus dem "Ring" und dem Lohengrin.
BR-KLASSIK: Die Figur des Tannhäuser singt quasi den ganzen Abend, und dann kommt Wolfram von Eschenbach, singt vom Abendstern und erntet den ganzen Applaus. Ist das Leben auf der Bühne ungerecht?
Klaus Florian Vogt: Nein. Natürlich stimmt es, dass der Wolfram musikalisch wahnsinnig schöne Stellen hat. Und in Christian Gerhaher haben wir in der Münchner Produktion jemanden, der das in Perfektion realisieren wird. Aber ich habe ja durchaus auch einige schöne Passagen, die ich gestalten kann - wenn ich beispielsweise an die Rom-Erzählung denke. Und die Figur des Tannhäuser ist auch einfach viel verstörender als die anderen Figuren. Insofern passt das schon alles zusammen.
Die Fragen stellte Annika Täuschel für BR-KLASSIK.
Sendung: Live-Übertragung der "Tannhäuser"-Premiere am 21. Mai ab 16.00 Uhr auf BR-KLASSIK.
In der Neuproduktion von Richard Wagners "Tannhäuser" an der Bayerischen Staatsopersingt der Tenor Klaus Florian Vogt die Titelpartie.
Premiere ist am 21. Mai, weitere Vorstellungen gibt es am 15. und 28. Mai, am 4. und 8. Juni sowie am 9. Juli.
Die Premiere am 21. Mai wird ab 16.00 Uhr auf BR-KLASSIK live übertragen. Vorher gibt es ab 15.30 Uhr das Foyer mit Beteiligten der Produktion.