Bei den Münchner Opernfestspielen wirkt Okka von der Damerau bei in vier Produktionen mit: In Verdis"Maskenball", Prokofjews "Der feurige Engel", und den Wagneropern "Der fliegende Holländer" und "Die Meistersänger von Nürnberg". Eine Belastungsprobe für die Mezzosopranistin und zweifache Mutter. Wie sie mit Stress auf der Bühne umgeht und was gegen eine müde Stimme hilft, erzählt sie im Interview mit BR-KLASSIK-Redakteurin Annika Täuschel.
Bildquelle: Daniel Schäfer
BR-KLASSIK: Okka von der Damerau, Sie sind ein echtes Nordlicht, sowohl gebürtig als auch die Ausbildung betreffend. Seit mittlerweile fünf Jahren sind Sie im Ensemble der Bayerischen Staatsoper: partienmäßig, musikalisch, auch von Publikumsseite aus sind Sie absolut angekommen. Wie fühlen Sie sich selber, sind Süddeutschland, Bayern, München schon mittendrin im Herz?
Okka von der Damerau: Absolut, ich fühle mich sehr wohl. Ich fühle mich in München und in Bayern sehr wohl und natürlich vor allen Dingen an der Bayerischen Staatsoper. Mein zweites Kind ist außerdem gebürtiger Münchner, also wir sind schon richtig verwurzelt.
BR-KLASSIK: Sie waren vorher im Ensemble in Hannover und sind es jetzt eben an der Bayerischen Staatsoper. Früher war es normal, dass man von Ensemble zu Ensemble ging. Heute ist es aber oft so, dass Sängerinnen und Sänger nach einer gewissen Zeit "frei" werden. Ist es untypisch, wie Sie das machen?
Okka von der Damerau: Keine Ahnung. Letztendlich ist es so, dass ich immer sehr nach der jeweiligen Situation entscheide und nach dem, was sich bietet. Ich hatte das Glück, dass ich nach dem Studium sofort in Hannover engagiert worden bin, was ein ganz wunderbares Haus zum Starten war. Natürlich auch auf hohem Niveau. Und dann fragte die Bayerische Staatsoper und da hab ich halt nur ja oder nein überlegen müssen. Da war schnell klar: ja. Also insofern war der Weg vorgezeichnet und das hab ich bisher auch sehr genossen.
BR-KLASSIK: Am Anfang haben Sie ja ensembletypisch eher die kleineren Rollen übernommen. In den letzten Jahren und Monaten kann man Sie in großen Partien erleben, zum Beispiel Waltraute in der Götterdämmerung, jetzt aktuell die Ulrica. Die Magdalene ist vielleicht keine allzu große, aber eine unglaublich wichtige Partie in den Meistersingern. Haben Sie das Gefühl, dass Sie mehr und mehr von sich zeigen und entwickeln können in diesem Ensemble?
In mir schlummert noch einiges, das muss jetzt bald raus.
Okka von der Damerau: Definitiv. Ich freue mich sehr, dass ich diese Aufgaben bekomme, aber ehrlich gesagt: Da schlummert noch einiges (lacht). Da ist noch etwas zu erwarten, denke ich, das muss jetzt bald raus. Die Sachen passen jetzt 100% und es passen auch noch viele mehr. Ich bin froh, dass das alles in einer geschützten Atmosphäre stattfindet, insofern als dass es nicht überfordernd ist. Das Publikum ist fantastisch, das sage ich ja immer und das ist auch so: Da fühlt man sich einfach sehr unterstützt. Insofern - alles wunderbar.
BR-KLASSIK: Wie ist denn das, wenn Sie sagen, es ist jetzt an der Zeit und es muss raus. Setzt man sich da regelmäßig mit Herrn Bachler oder anderen zusammen und sagt, dass man sich in ein oder zwei Jahren dieses und jenes vorstellen kann oder kommt er auf Sie zu?
Okka von der Damerau: Das ist ein Austausch, darüber wird gesprochen. Man wird natürlich auch permanent beobachtet, es gibt immer Feedback von außen. Hier schaut ja jeder früher oder später vorbei und äußert seine Meinung. Ich denke, es ist eine Summe der Dinge. Natürlich eine Kommunikation und über diesen Austausch bin ich natürlich froh.
BR-KLASSIK: Können Sie sich auch Rollen wünschen?
Okka von der Damerau: Ganz klar. Die Ulrica war natürlich ein Wunsch, die Brangäne, die kommt, war ein Wunsch. Es ist ja keine Hexerei, sondern völlig klar, was ansteht und was man sich vorstellen kann. Da sind wir dann auch einer Meinung.
Wenn man ein 'Leistungsrennpferd' ist, ist Stress unter Umständen nicht nur schlecht.
BR-KLASSIK: Auch wenn es normaler Sängeralltag ist: Sie stehen abends auf der Bühne, das ist natürlich eine Nervenanspannung und hängt von der Tagesform ab. Und man hat dann vielleicht die ganze Zeit das Gefühl, Bachler hört zu, andere hören zu, jetzt muss ich alles geben, um die nächste Partie zu bekommen. Stresst das auch?
Okka von der Damerau: Stress ist natürlich bei uns an der Tagesordnung, er gehört zum Beruf dazu und ist nicht unbedingt nur negativ, sondern auch ein Ansporn. Wenn man ein "Leistungsrennpferd" ist, dann findet man das unter Umständen nicht nur schlecht. Also ich empfinde das nicht so als "man guckt genau hin, ob ich denn das jetzt gut mache". Da bin ich sehr froh, dass ich an diesem Punkt angekommen bin.
BR-KLASSIK: Haben Sie denn trotz der Ensembletätigkeit, bei der Sie auch immer wieder kleine Rollen übernehmen müssen, weil sie im Spielplan stehen, genug Freiraum jenseits der Bayerischen Staatsoper?
Okka von der Damerau: Unbedingt. Ich bin im sehr guten Austausch mit der Hausleitung und werde oft auch rausgelassen aus Rollen, um andere Projekte zu machen, die wichtig für mich persönlich oder die Karriere sind. Da kann ich mich gar nicht beklagen. Ich komme jetzt gerade von der Probe für einen Liederabend im nächsten Jahr. Ich hab da verschiedene Ideen und Projekte, weil das auch unheimlich viel Spaß macht und die Stimme auch so eine Abwechslung braucht. Also, ich finde schon, dass ich genug Freiraum habe.
Bayreuth vor zwei Jahren war schon hammerhart.
BR-KLASSIK: Jetzt ist Opernfestspielzeit. Sie sind mit vier verschiedenen Rollen in vier verschiedenen Opern am Start, und das innerhalb kürzester Zeit. Bei allem positiven Stress, aber das ist schon ein strammer Ritt über den Sommersee, oder?
Okka von der Damerau: Ich liebe das! Ich hatte ja 2013 und 2014 auch noch parallel die Bayreuther Festspiele auf Volldampf, ein ganzer Ring, im zweiten Jahr vier Partien, zweimal Floßhilde, einmal Norn, einmal Walküre, da war’s doch deutlich stressiger. Und dazu hatte ich noch ein kleines Kind. Das war schon hammerhart. Dagegen ist das jetzt wirklich reine Freude.
BR-KLASSIK: Sind Maskenball, Feuriger Engel, Holländer und Meistersinger also eher ein Spaziergang?
Okka von der Damerau: Naja, ein Spaziergang ist das nie, denn man will ja alles auch ordentlich machen oder, sagen wir mal, der Erwartung, die im Publikum da ist, auch entsprechen. Die Zuhörer kommen mit großer Freude und Begeisterung, die wir auch erfüllen wollen. Aber es ist eine große Freude, die Opernfestspiele sind auch für uns ein ganz besonderer Abschnitt im Jahr.
BR-KLASSIK: Wenn Sie merken, dass Sie kräftemäßig mit der Stimme doch mal an der Grenze sind - es kann ja auch eine Sache von einem Abend oder einem Morgen sein - was ist dann Ihre erste Notfallmaßnahme?
Okka von der Damerau: Naja, grundsätzlich sollte man sich natürlich ausruhen, schlafen. Das ist eben schwierig als Mutter. Aber meistens reichen auch ein paar Minuten, um wirklich runterzukommen. Man muss sich halt konzentrieren, einmal kurz zu sich kommen, und dann geht’s wieder los.
BR-KLASSIK: Also wir sind froh, dass es wieder losgeht und wir Sie in so vielfältigen Partien an der Bayerischen Staatsoper erleben dürfen. Vielen Dank, Okka von der Damerau.
Das Gespräch führte Annika Täuschel für BR-KLASSIK.