BR-KLASSIK

Inhalt

Karajans "Walküre" bei den Osterfestspielen Salzburg Blick in die eigene Vergangenheit

In diesem Jahr werden die Osterfestspiele Salzburg 50 Jahre alt. Herbert von Karajan hatte sie 1967 gegründet - nicht zuletzt, um dort seine eigene Inzenierung von Wagners "Ring" zu präsentieren. Zum Jubiläum kommt nun die "Walküre" auf die Bühne - im Geiste Karajans und seines Bühnenbildners Schneider-Siemssen, aber nicht als Rekonstruktion.

Bühnenbildentwurf -Günther Schneider-Siemssen "Die Walküre" | Bildquelle: © Schneider-Siemssen/OFS/Hannes Auer

Bildquelle: © Schneider-Siemssen/OFS/Hannes Auer

"Hier wo mein Wähnen Frieden fand." - so ließ es Richard Wagner in die Fassade seines Hauses "Wahnfried" meißeln. Und ähnlich dürfte es Herbert von Karajan gegangen sein, als er erstmals den "Ring des Nibelungen" im ganz nach seinen Vorstellungen gebauten Salzburger Festspielhaus dirigieren und inszenieren konnte. Seit Jahrzehnten beschäftigte ihn der Gedanke, Wagners Tetralogie "richtig" aufzuführen, als verschmelzendes Gesamtkunstwerk von Musik, Gesang, Bühne und Schauspiel. Bisher war sie nämlich, nach seinem Dafürhalten, "durchwegs fehlerhaft inszeniert" worden, wie ihn der "Spiegel" im März 1967 zitierte. Seinen ersten "Ring" inszenierte Karajan schon zwischen 1957 und 1960 an der Wiener Staatsoper (die Götterdämmerung wurde dort bis immerhin 1987 gespielt!), aber eine vollauf gültige Interpretation dieses "Opus magnum" konnte er nur in Salzburg realisieren, unter ganz auf ihn zugeschnittenen künstlerischen Bedingungen.

Kosmischer Raum - von allem Irdischen losgelöst

1967 war es soweit. Und Karajan startete seinen "Ring" - entgegen aller Vorstellungen des "Meisters" und auch Bayreuther Konventionen - mit der "Walküre". Das Bühnenbild steuerte Günther Schneider-Siemssen bei, quasi Haus- und Hofbühnenbildner Karajans. Der inszenierende Dirigent (oder umgekehrt?) verlangte nach einem kosmischen Raum, der - genau wie der "Ring des Nibelungen" - von allem Irdischen losgelöst ist. Auch diese vermeintliche Zeitlosigkeit verhilft der damaligen Produktion jetzt zu einem ungeahnten Comeback.

Keine originale Rekonstruktion

Zum 50. Jubiläum der Festspiele inszeniert Vera Nemirova die Oper in den nachgebauten Schneider-Siemssen Bühnenbildern neu. Beteiligte und Festspielleitung werden dabei nicht müde zu betonen, dass es sich um keine Rekonstruktion, sondern um eine "Re-Kreation" handelt. "Schneider-Siemssen hat damals einen hochgradig abstrakten Theaterraum entworfen, der absolut zeitlos ist. Man bewegt sich da in keinem Moment in einem Theatermuseum; wir werden versuchen, diesen Raum neu aufzuladen," so sagte die Regisseurin der dpa.

Bilder von den Proben

Das neue Festival Mémoires in Lyon ist komplett der minuziösen Rekonstruktion historischer Operninszenierungen gewidmet. So etwas wäre bei der Salzburger "Walküre" schon aus technischen Gründen nicht möglich. Denn es existieren keinerlei originale Bühnenbilder und Requisiten mehr, auch nicht Karajans Regiebuch. "Das wurde angeblich in New York von irgendeinem Fan geklaut", erzählt Jens Kilian amüsiert. Er hat die Bühnenbilder für die "Re-Kreation" nach dem Vorbild Schneider-Siemssens entworfen und dafür sämtliche Skizzen, Entwürfe, Fotos und einen alten Probenfilm analysiert, der 1967 rund um den großen Maestro gedreht wurde.

Einen Siegmund in Strumpfhosen wollte ich auf keinen Fall haben.
Jens Kilian, Bühnenbildner

Kilian ging es darum, Schneider-Siemssen "auf die Spur zu kommen und dann einen Schritt weiterzugehen. Wir nutzen quasi diesen Rahmen, um die Geschichte der 'Walküre' zu erzählen. Und die muss in erster Linie Richard Wagner gerecht werden." Dafür hat Kilian auch ganz neue Kostüme entworfen, die die Ästhetik Schneider-Siemssens mit heutigen Sehgewohnheiten verbindet. "Einen Siegmund in Strumpfhosen wollte ich auf keinen Fall haben." Die üppigen Brokatkostüme damals waren angeblich von einer Goldpapier-Abendrobe Eliette von Karajans inspiriert, der Gattin des Maestro. Kilian geht es um eine Mixtur aus Modernität, Archaischem und einer gewissen Opulenz, die es für die Riesenbühne des Festspielhauses sicher auch braucht. "Da in die alte Zeit hinüber zu rutschen war für uns ein No-Go."

Ein Ausschnitt aus Karajans "Walküre" von 1967

Abklatsch von Wieland Wagner?

Aber wie war es damals, 1967, in der "alten Zeit"? Karajan sorgte bei den Sängern für perfekte Vorbereitung, in dem er allen Tonbänder mit der aktuellen "Walküren"-Aufnahme der Berliner Philharmoniker zuschickte - inklusive Mini-Abspielgerät! So sollten sie sich schon mal vorab mit seiner musikalischen Herangehensweise auseinandersetzen. Sonst sprach er laut "Spiegel" wenig mit seinen Vokalisten. Doch das Blatt sah Karajans Regiekünste generell sehr kritisch. Dozierend sei sein Stil, sehr nah an der Partitur. Die Sänger, darunter Regine Crespin, Christa Ludwig, Gundula Janowitz, Thomas Stewart, Martti Talvela und John Vickers, agierten mit "üppig arrangiertem, jedoch spannungslosen Gebärdenspiel." Karajans Hauptanliegen sei gewesen, "die Musik optisch zu interpretieren. Mehr ist nicht gestattet!" Darin sah der "Spiegel" Karajan als Gegenentwurf zum "Bühnenentrümpler" und tiefenpsychologisch fragenden Wieland Wagner. Joachim Kaiser widersprach dieser These interessanterweise, indem er in der "Zeit" Karajans Regie als "Abklatsch Wieland'scher Abstraktions-Symbolik" bezeichnete.

"Am Anfang war die Walküre"

In ihrem Feature für KlassikPlus berichtet Kirsten Liese über die 50-jährige Geschichte der Osterfestspiele Salzburg.
Die Sendung vom 6. April 2017 steht bis zum 13. April zum Anhören bereit.

Aus dem Geist der Musik heraus geformt

Es gab aber auch begeisterte Stimmen, bei denen Karajans gesamtdarstellende Eigenverantwortung in Sachen Musik und Regie Anklang fand. Heinz Joachim maß dieser "Walküre" in der "Welt" exemplarische Bedeutung bei. Nie zuvor habe es eine Aufführung gegeben, die "so einheitlich aus dem Geist der Musik heraus geformt, von ihm so inspiriert" gewesen sei.

Verdunklungsproben

Herbert von Karajan probt "Die Walküre" 1967 | Bildquelle: © S. Lauterwasser, Karajan®-Archiv 1967: Karajan bei den Proben zur Salzburger "Walküre" | Bildquelle: © S. Lauterwasser, Karajan®-Archiv Von nahezu allen bemerkt wurde die sehr dunkle Bühne. Karajan ging mit dem Licht sparsam um, setzte es nur zur optischen Unterstreichung musikalischer (und damit dramatischer) Bewegungen ein. Hans Heinz Stuckenschmidt erkannte in der Lichttechnik "hohes Raffinement", rief Karajan aber in der "FAZ" auch - frei nach Goethe - zu: "Mehr Licht!" Schon damals sprachen die Beleuchter am Salzburger Festspielhaus von "Verdunklungsproben". Böse Zungen bemerkten, dass bei einer dunklen Bühne der angestrahlte Dirigent im Graben natürlich umso besser zur Geltung kommt. Diese Sichtweise stützt eine Anekdote aus dem Münchner Nationaltheater, als sich Karajan 1963 vor Beginn der Aufführung demonstrativ und mit großer Geste ein weißes Blatt Papier auf das Pult legen ließ. Dies sollte einmal anzeigen, dass der Maestro auswendig dirigierte. Und andererseits reflektierte es mystisch das Scheinwerferlicht von unten auf den Dirigenten. Aber: "Ein Schelm, wer Böses dabei denkt."

Prügel im Foyer

Der Karajan-Hype war 1967 zur "Walküre" auf einem Höchststand. Laut Deutscher Presse-Agentur bezog ein Wiener Kritiker Prügel, weil er sich negativ über den Dirigenten geäußert hatte - und zwar im Foyer des Festspielhauses. Solche Tumulte sind für die Premiere der wiedererstandenen Karajan-"Walküre" am 8. April nicht zu erwarten. Wobei die Generalprobe dem Vernehmen nach frenetisch aufgenommen wurde. Warten wir's ab!

Die Termine - auf der Bühne und im TV

Richard Wagner: Die Walküre
Re-Kreation: Neuinszenierung im rekonstruierten Bühnenbild der ersten Opernproduktion der Osterfestspiele Salzburg von 1967
Salzburg, Großes Festspielhaus
Samstag, 8. April 2017, 17.00 Uhr
Montag, 17. April 2017, 17.00 Uhr

Die Aufführung vom 8. April wird am Samstag, 15. April, ab 20.00 Uhr auf 3sat im TV übertragen.

    AV-Player