Gefangenschaft, Liebesheirat und Tod sind die Stationen im Leben eines Tieres – und auch die im Leben eines Menschen. Zumindest in der Oper "Das schlaue Füchslein" von Leoš Janáček. Am 30. Januar 2022 feiert das Wechselspiel zwischen Mensch und Tier am Nationaltheater in München Premiere.
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Der Förster hat das schlaue Füchslein gefangen | Bildquelle: © Stanislav Lolek
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Die Füchsin provoziert den Dachs | Bildquelle: © Stanislav Lolek
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Der alkoholisierte Schulmeister gesteht der Sonnenblume seine Liebe | Bildquelle: © Stanislav Lolek
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Fuchs und Füchsin sind ein Paar | Bildquelle: © Stanislav Lolek
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Der Förster und sein Dackel | Bildquelle: © Stanislav Lolek
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Die Füchse stehlen das Geflügel aus Haraštas Korb | Bildquelle: © Stanislav Lolek
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Der Förster, der Schulmeister und der rauchende Pfarrer sitzen beim Kartenspiel | Bildquelle: © Stanislav Lolek
Die Fabel in Grundzügen: Ein Förster fängt eine Füchsin. Nachdem sie auf seinem Hof Hahn und Hennen getötet hat, flieht sie – und heiratet einen Fuchs. Als sie jedoch den Geflügelhändler Háraschta überlisten will, muss sie dafür mit dem Leben bezahlen. Zum Glück gibt es noch eine stumme "Doppelgängerin" der Füchsin: das Mädchen Terynka, das Háraschta geheiratet hat, nachdem zuvor der Förster ebenfalls in Terynka verliebt war ...
Entstanden ist diese parabelartige Oper beinahe alltäglich: Den Ausschlag gibt Leoš Janáčeks Haushälterin. Die ist ganz hingerissen von einer ganz bestimmten Fortsetzungsgeschichte in der Brünner Tageszeitung. Vor allem die Zeichnungen begeistern sie! Diese illustrieren die Abenteuer einer Füchsin. Die Haushälterin mag auch die Texte, die Bildunterschriften, die in der Zeitung den Episoden zugeordnet sind. Humorvoll, witzig, geistreich. Da verhalten sich Tiere wie Menschen! Also zeigt die Haushälterin ihrem Arbeitgeber Janáček den süßen Comicstrip, von dem sie nicht genug bekommt. Hat Janáček nicht ein Faible für Tiere, für die Natur allgemein? Vielleicht würde er ja eine Oper daraus machen wollen!
Leoš Janáček | Bildquelle: picture-alliance/dpa Und ob er das tut. Janáček brütet eine Partitur aus, die er später für seine beste hält. Weil er immer schon davon überzeugt ist, dass es eine metaphysische Verbindung zwischen Mensch und Tier gibt. Was dem einen geschieht, geschieht dem anderen. Daseinskampf hier wie dort, Fressen und Gefressen werden. In dieser Oper agieren einige Tiere und einige Menschen – und alle in ähnlicher Weise. Das ist etwas Besonderes in der Geschichte des Musiktheaters: Wo sonst kommt das Personal eines Bühnenwerkes so animalisch und zugleich so human daher?
Auf den melodischen und rhythmischen Duktus, der unter Menschen beim Sprechen im Alltag zustande kommt, hat Janáček immer schon geachtet, um sich für seine Kompositionen anregen zu lassen. Aus dem umgangssprachlichen Tonfall formt er seine musikalischen Motive. Für "Das schlaue Füchslein" verwertet er zusätzlich eigenhändige Notizen von Tierstimmen und Tierlauten aus der Natur. Er ist eben ein Künstler, der gewohnheitsmäßig mit Bleistift und Papier spazieren geht und daheim am Schreibtisch verwertet, was es draußen zu hören gibt. So entsteht eine Art "Freiluft-Musik".
Hinzu kommt die geballte Lebenserfahrung eines Siebzigjährigen. Wehmut auch. Kaum ein Instrument tritt hier mehrfach so dominant hervor wie das Englischhorn: berühmt für die Melancholie, die es klangfarblich verströmt. Die 37 Jahre jüngere Brieffreundin, die er so sehr mag, macht Janáček sein fortgeschrittenes Alter bewusst. Und so träumt er, der Verheiratete, von einer unmöglichen gemeinsamen Zukunft mit der Verheirateten. Die Hochzeitsszene zwischen Füchsin und Fuchs am Ende des mittleren Aktes deutet es an. Autobiografische Züge trägt außerdem die Gestalt des Försters, nicht zufällig ein balsamischer Bariton. Sein großer Monolog am Schluss der Oper schließt Frieden mit dem ewigen Eros. Mit dem vom Werden und Vergehen, von ständiger Regeneration, dem Kreislauf der Natur.
Und ganz nebenbei schreibt Janáček diesmal eine der beiläufigsten Sterbeszenen überhaupt. Die Füchsin wird kurzerhand erschossen, von einer Sekunde auf die nächste. Ohne sentimental Abschied zu nehmen oder in einer langen Arie auf die Tränendrüse des Publikums zu drücken. Janáček spielt Mutter Natur. Er macht sich ihre Perspektive zu eigen, geht unbeeindruckt über den Tod des Tieres hinweg. Dass er das fertigbringt, ist vielleicht mit dem Zeitgeist zu erklären. Wenn Bert Brecht sein "Glotzt nicht so romantisch!" formuliert, dann applaudiert Janácek ihm lautstark. Und doch – als harmoniebedürftiger Musiker lässt er es sich nicht nehmen, das Orchester am Ende einen wahren Hymnus anstimmen zu lassen. Einen Lobgesang auf das Leben, mit allem, was dazu gehört.
BR-KLASSIK überträgt die zweite Vorstellung der Münchner Neuproduktion von Leoš Janáčeks Oper "Das schlaue Füchslein" am Donnerstag, den 3. Februar ab 19.30 Uhr im Radio (Foyer mit Künstler-Gesprächen ab 19.00 Uhr)
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