Salzburger Festspiele
19. Juli bis 31. August 2024
Der Mann hat Mut! Das kann man über Markus Hinterhäuser, den Intendanten der Salzburger Festspiele, sagen. Denn für die Inszenierung der "Aida" hat er eine Künstlerin engagiert, der er Verdis Oper erst einmal auf CD besorgen musste. Die in New York lebende Iranerin Shirin Neshat setzt sich in ihrer Foto- und Videokunst vor allem mit der Lage von Frauen in der muslimischen Welt auseinander. In Salzburg traut sie sich zum ersten Mal als Regisseurin an klassischen Opernstoff heran.
Bildquelle: © Salzburger Festspiele / Monika Rittershaus
Der Beitrag zum Anhören
Feiern sieht anders aus: Stocksteif sitzt der Priesterrat auf der Tribüne. Sieger und Verlierer ziehen vorbei - gleichförmig, desinteressiert. Die einzig wirkliche Bewegung: uniformierte Geisterwesen, die durch die Prozession huschen, fallen, tanzen.
Anna Netrebko (Aida) | Bildquelle: © Salzburger Festspiele / Monika Rittershaus
Von Glanz und Gloria will Shirin Neshat bei ihrer Inszenierung der "Aida" in Salzburg nichts wissen. "Shirin wer?" Das denken sich vermutlich die meisten Opernjünger. Tatsächlich hatte die iranische Künstlerin noch nie mit dieser musikalischen Gattung zu tun. Zumindest nicht in ihren eigenen Arbeiten. Mit großem Respekt tritt die Regisseurin an Partitur und Libretto heran. Das Verhältnis zwischen gesellschaftlichen Zwängen und menschlichen Sehnsüchten, zwischen Fanatismus und Liebe - diese Themen stellt Shirin Neshat in den Fokus ihrer "Aida"-Interpretation. Dabei zieht die Künstlerin Parallelen zwischen den Opernfiguren und den menschlichen Prototypen ihres Heimatlandes: "Radames ist genauso wie die iranischen Männer, die ich immer porträtiert habe. Sie leben in einem Widerspruch mit sich selbst: Auf der einen Seite stehen Heldenkult und ihre Konformität zur Regierung und Religion. Auf der anderen Seite - die Individualität, die menschliche Versuchung. Radames ist für mich ein Mann, der zwischen der herrschenden Gesellschaft und dem menschlichen Instinkt steht."
Die Salzburger "Aida" in Bildern
Bühnenbild der Salzburger "Aida"-Inszenierung | Bildquelle: © Salzburger Festspiele / Monika Rittershaus
Die Widersprüche des menschlichen Geistes lauern an jeder Ecke und auf jeder Fläche der Festspielhausbühne. Shirin Neshat lässt Priester und Kriegsgefangene auf die Mauern eines faschistoid wirkenden Multifunktions-Kubus projizieren. Die rücken dem Betrachter bedrohlich nahe, bitten und fordern: "Schließ dich uns an! Hilf uns! Sei wie wir!" Und unwillkürlich fragt man sich: "Muss ich mich schützen vor dem, was da auf mich zukommt? Wo fängt meine eigene Identität an - und wo hört sie auf?"
Dass der Übergang der kulturellen Grenzen fließend ist, daran lässt die Regisseurin keinen Zweifel. Dem ursprünglichen Lokalkolorit der Oper räumt sie als moderne Kosmopolitin keinen Raum ein. Weil Shirin Neshat selbst aus dem Nahen Osten kommt, weiß sie schließlich genau, dass viele Menschen aus Ägypten und anderen Teilen der arabischen Welt "Aida" kritisch sehen. Es ist bekannt, dass die Oper ursprünglich der Unterhaltung von Europäern dienen sollte: Die Geschichte, das Bühnenbild und die Kostüme wurden extra gestaltet, um die Fantasie des europäischen Publikums anzuregen. Hauptsache Pyramiden und Elefanten - für Shirin Neshat bleibt dieser Blickwinkel auf die Islamische Welt einseitig und auch rassistisch.
Künstlerin, Filmemacherin und Fotografin Shirin Neshat | Bildquelle: © Salzburger Festspiele / Anne Zeuner
Der Kampf, den Shirin Neshat führt, ist ein Kampf zwischen den Welten. Sie stemmt sich gegen den einseitigen Blick des Westens auf die Islamische Welt, gegen Vorurteile, Unterstellungen und Pauschalisierungen. Gleichzeitig kämpft sie mit ihrer Kunst gegen den religiösen und politischen Fanatismus in ihrem Heimatland Iran. Schon seit Jahren darf Neshat den iranischen Boden nicht mehr betreten: Ihre Fotos und Filme sind dort verboten.
Die Nostalgie, das Verlangen nach der Rückkehr ins eigene Land - all das verbindet Shirin Neshat mit der Hauptfigur Aida: "Als jemand, der unschuldig ist und ungerechtfertigt aus seiner Heimat vertrieben wurde, identifiziere ich mich mit dem Schmerz Aidas. Und trotzdem mache ich weiter, verliebe mich - wie sie auch. Und wenn ich so rede, weiß ich nicht, ob ich über mich selbst rede oder über sie. Es fühlt sich gleich an."
Samstag, 12.8.17, 19.30 Uhr
Inszenierung: Shirin Neshat
Aida - Anna Netrebko
Der König - Roberto Tagliavini
Amneris - Ekaterina Semenchuk
Radamès - Francesco Meli
Ramfis - Dmitry Belosselskiy
Amonasro - Luca Salsi
Konzertvereinigung Wiener Staatsopernchor
Wiener Philharmoniker
Leitung: Riccardo Muti
Zeitversetzte Live-Übertragung
Kommentare (1)
Sonntag, 06.August, 15:44 Uhr
Marcos von der Fecht
Aida
Hier wird etwas vollkommen missverstanden,Aida hat null was mit dem Islam zu tun.Die Oper hat auch garnichts mit religiösem Fanatismus noch mit Razzismus zu tun,Ismail Pascha wollte eine Oper die in der pharaonischen Zeit Ägyptens spielen sollte,die Handlung stammt von einem anekannten Archeologen Mariette und das pharaonische Zeitalter Ägyptens war schon fast 800 Jahre von Mohamed untergegangen.Man sollte schon aufpassen wenn man solche Komentare schreibt.