Salzburger Festspiele
19. Juli bis 31. August 2024
Ungefähr ein Jahr dauert es noch, dann ist Kirill Petrenko offiziell der neue Chefdirigent der Berliner Philharmoniker. Bis dahin ist also noch Zeit, sich besser kennenzulernen. Bei einer kleinen Tournee durch Europa geschieht gerade genau das. Wichtiger Stop der Tour waren die Salzburger Festspiele. Dort spielten die Berliner zwei Konzerte am 26. und 27. August. Petrenko hatte bisher erst einmal bei den Salzburger Festspielen dirigiert, das war im Jahr 2002 und zwar in der Stiftung Mozarteum. Mit den Berlinern gab er also sein Debüt im Großen Festspielhaus.
Bildquelle: Wilfried Hösl
Die Kritik zum Anhören
In den Flitterwochen sind sie noch nicht, die Berliner Philharmoniker und Kirill Petrenko. Momentan steht eher voreheliches Abtasten an: die Eigenarten des anderen kennenlernen, sich durchaus auch skeptisch beäugen und schließlich behutsam Vertrauen aufbauen. Dies ist ein Prozess, wie insbesondere bei "Don Juan" von Richard Strauss deutlich wird. Petrenko hält die Berliner an der kurzen Leine, gibt nahezu jeden Einsatz. Was in der Oper eine seiner vorzüglichsten Eigenschaften ist, wirkt im Zusammenspiel mit so einem Weltklasseorchester überkontrolliert. Natürlich führt diese penible Feinarbeit zu einem schillernden Detailreichtum. Aber das lockere "Laisser-faire", die Prise Selbstironie, ja die Verspieltheit, die doch auch wichtiger Bestandteil dieser Strauss'schen Tondichtung ist, kommt auf diese Weise nicht voll zur Geltung.
"Tod und Verklärung" steht dieser analytische Zugriff, dieses präzise Freilegen der Partitur viel besser. Petrenko, und das ist die Stärke auch seiner Strauss-Interpretationen, stellt nichts aus, er sucht nicht billig Extreme und illustrative Elemente, sondern vertraut der Musik. Die Klangqualität der Berliner ist dabei einfach immens, wobei sich doch vieles, wie die Themenwiederkehr bei der Verklärung, an der oberen Lautstärkegrenze bewegt. Auf der anderen Seite das "Petrenko-Piano" zu übernehmen, wirklich im gleichwertigen Zusammenklang der Gruppe leise zu spielen – dafür brauchen die Philharmoniker vielleicht noch mehr Vertrauen zu ihrem zukünftigen Chef.
Petrenko sucht den Schönklang in Beethovens Musik, lässt das klangliche Fleisch an den Tönen.
Kirill Petrenko | Bildquelle: Wilfried Hösl In Beethovens Siebter bietet sich dann ein komplett anderes Bild: Petrenko lässt die Berliner spielen, hört an einer Stelle gar komplett zu dirigieren auf, lehnt sich auch einmal zurück, ist kein Taktdompteur, sondern Energiezentrum und Impulsgeber. So wird kammermusikalisches Musizieren möglich, und wenn dies ein Orchester wie die Berliner Philharmoniker annimmt und umsetzt, dann entsteht ganz Großes. Petrenko sucht den Schönklang in Beethovens Musik, lässt das klangliche Fleisch an den Tönen, weil er keine selbstreferenziellen Tempospielereien und Klangrevolutionen nötig hat. Den zweiten Satz nimmt Petrenko wirklich "Allegretto". Alleine das verhindert übermäßiges Pathos. Das Scherzo nimmt er spielerisch, duftig, ohne jeden Pomp. Der Schlusssatz ist ein einziges, großartiges Phrasieren. Dadurch, und durch einen flotten Grundpuls, umschifft Petrenko jedes triumphalistische Getöse. Dabei gibt es immer überraschende Details herauszuhören, besonders im Holz und den Hörnern.
Auch tags drauf wirken die Berliner und Petrenko schon sehr einig. In Dukas' "La Péri" funkeln die Farben, und Petrenko malt den musikalischen Ausdruck mit dem Taktstock, wie es vor ihm wohl nur Carlos Kleiber vermochte. Yuja Wang kann in Prokofjews drittem Klavierkonzert ihre brillante, unbestechliche Technik voll ausspielen. Und die wenig bekannte Symphonie Nr. 4 von Franz Schmidt, einem für Petrenko sehr wichtigen Komponisten, lässt aufhorchen. Dies alles, vor allem aber die umwerfende Siebte von Beethoven zeigen, was möglich sein kann, wenn die Berliner mit ihrem designierten Chef eine gemeinsame Wellenlänge finden. Und das ist fast beängstigend viel.
Am Donnerstag, 30. August, geben Kirill Petrenko und die Berliner Philharmoniker ein Konzert auf dem Lucerne Festival.
Auf dem Programm stehen "La Péri" von Paul Dukas, Sergej Prokofjews Drittes Klavierkonzert mit Yuja Wang als Solistin und die Symphonie Nr. 4 von Franz Schmidt.
BR-KLASSIK überträgt das Konzert live ab 19.30 Uhr.
Sendung: "Leporello" am 28. August 2018 ab 16:05 Uhr auf BR-KLASSIK
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