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Salzburger Festspiele

19. Juli bis 31. August 2024

Kritik - Riccardo Muti dirigiert Verdis Requiem in Salzburg Ein Konzertabend für das Poesiealbum

Es gibt Stücke, die manchen Dirigenten einfach liegen: Herbert Blomstedt und Bruckners Achte, John Eliot Gardiner und Monteverdis Marienvesper, Christian Thielemann und Wagners Tristan. Natürlich beherrschen sie alle ein breites Repertoire – aber wenn diese Werke bei diesen Dirigenten auf dem Programm stehen, kann man fast sicher sein, dass besondere Abende zu erwarten sind. Für Riccardo Muti ist das Verdis Requiem, das er gestern Abend bei den Salzburger Festspielen dirigerte. Bernhard Neuhoff war dabei und berichtet von einem erinnerungswürdigen Konzert.

Wiener Philharmoniker unter Riccardo Muti bei den Salzburger Festspielen 2019 | Bildquelle: © Marco Borrelli

Bildquelle: © Marco Borrelli

Noch heute schwärmen ältere Kollegen aus Chor und Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks von einem Konzert des Jahres 1981. Damals debutierte der junge Riccardo Muti in München mit dem Verdi-Requiem. Es war ein legendäres Konzert. Das vielleicht noch übertroffen wurde, als er vor zwei Jahren, also 36 Jahre später, mit den gleichen Ensembles das gleiche Stück im gleichen Saal interpretierte. Damals war sein heiliger Eifer beim aus dem Nichts kommenden Pianissimo-Beginn so groß, dass er erzürnt abbrach, als allzu viele Huster im Publikum die magische Atmosphäre zerstörten. Muti sandte zornige Blicke in Richtung der Ruhestörer, brach ab und begann nochmal von vorn.

Räuspern, husten, schniefen: Verdi verträgt keine Ruhestörer

Gestern Abend hatte der Salzburger Schnürlregen wieder einmal für eine unüberhörbare katarrhalische Infektionsrate im Zuschauerraum des Großen Festspielhauses gesorgt. Der Wiener Staatsopernchor hatte gerade sein erstes resignatives „Requiem aeternam“ gemurmelt, als Muti sich mit Zornesfalte auf der Stirn Richtung Publikum drehte. Doch diesmal blieb der Lärm offenbar noch unter der Schmerzgrenze. Muti dirigierte weiter – und wenige Takte später war auch der letzte Zuschauer gebannt von der konzentrierten Kraft dieser düsteren Totenklage.

Ein Strom der Gefühle

Wiener Philharmoniker unter Riccardo Muti bei den Salzburger Festspielen 2019 | Bildquelle: © Marco Borrelli Bildquelle: © Marco Borrelli Ihre berührende Emotionalität und auch ihre Größe bekommt Mutis Interpretation gerade aus dem, was er vermeidet: Bei ihm gibt es keine Sentimentalität, keine Effekthascherei, kein Auswalzen. Immer sorgt er für Puls und Lebendigkeit. Wenn er Höhepunkten organisch Raum gibt, sorgt er gleich danach wieder für das natürliche Gefälle, das die Musik fließen lässt. So kommen auch die Gefühle ins Strömen, so entfaltet die geniale Kontrast-Dramaturgie dieses theatralisch-liturgischen Zwitterwerks ihre ganze Wirkung. Und die alte Frage, ob diese Musik nun eigentlich in die Kirche oder nicht doch eher auf die Opernbühne gehört, wird hinfällig: Allein die menschliche Aussage zählt.

Überragende Gesamtleistung des Ensembles

Beglückend ist, wie sich Mutis Geradlinigkeit und Hingabe auf Chor und Orchester übertragen: Die Wiener Philharmoniker und der Staatsopernchor musizieren präzise, aber mit großer Wärme. Und werden darin von einem überragenden Solisten-Quartett ergänzt. Krassimira Stoyanova hatte ja im August eigentlich die Elsa bei den Bayreuther Festspielen singen sollen, musste aber erkältungsbedingt absagen. Die Ruhe hat ihr offenbar gut getan: In Salzburg präsentiert sie sich in blendender Form, allenfalls eine gewisse Vorsicht bei der Lautstärke könnte ein Hinweis darauf sein, dass sie sich gerade von einer Kehlkopfentzündung erholt hat. Die Höhe hat den gewohnten Glanz und klingt gerade auch im piano perfekt fokussiert.

Brillante Sängerinnen und Sänger

Franceso Meli ist ein ebenso großartiger Verdi-Tenor: Mit bewundernswerter technischer Brillanz mischt er Kopf- und Brustregister. Was hat der Mann für Kraftreserven! Und wie klug setzt er sie ein! Die vielen Portamenti und das immer genau kontrollierte Ansingen von unten bleiben immer geschmackvoll, und stilistisch korrekt ist das allemal. Trotzdem gefällt mir persönlich der etwas schlichtere Gesangsstil von Ildar Abrazakov noch besser, auch wenn der baschkirische Bassist nicht ganz so viel stimmliches Volumen vorweisen kann wie seine Kollegen. Überragt werden alle von der georgischen Mezzosopranistin Anita Rachvelishvili. Sie hat eine samtige, reich timbrierte Stimme, die das riesige Festspielhaus mit wunderbar warmen Farben flutet. Ein Abend, von dem man erzählen kann – nun muss ich die Kollegen, die 1981 dabei waren, nicht mehr beneiden.

Sendung: "Leporello" am 14. August 2019 ab 16.05 Uhr auf BR-KLASSIK

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