Salzburger Festspiele
19. Juli bis 31. August 2024
Einen besonderen Schwerpunkt der Salzburger Sommerfestspiele bildet in diesem Jahr die Musik von Dmitrij Schostakowitsch. Wie kein anderer Komponist musste er mit der sowjetischen Kulturpolitik ringen: auf der einen Seite galt er als gefeierter Vorzeigekünstler, auf der anderen Seite wurde er immer wieder zum Opfer offizieller Maßregelung. Insbesondere im Fall seiner Oper "Lady Macbeth von Mzensk", die am 2. August im Salzburger Festspielhaus Premiere feiert. Mariss Jansons steht am Pult der Wiener Philharmoniker. Die Regie übernimmt Andreas Kriegenburg.
Bildquelle: © Salzburger Festspiele / Thomas Aurin
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"Das ist eine der besten Opern, die überhaupt existieren", schwärmt Mariss Jansons. Schostakowitschs "Lady Macbeth" ist für ihn: "Sehr stark - unglaubliche Musik, dazu eine packende Geschichte und alles natürlich sehr dramatisch. Nach Ende der Vorstellung können Sie erst einmal einen ganzen Moment lang nichts sagen."
Anders als Mariss Jansons verschlug es jenem anonymen Rezensenten nicht die Sprache, der an einem Januarabend des Jahres 1936 in Moskau einer Aufführung der "Lady Macbeth" beiwohnte. Vielleicht lag es auch daran, dass er schon zur Pause gegangen war. Seine Meinung hatte er sich zu diesem Zeitpunkt bereits gebildet, wie zwei Tage später in der Tageszeitung "Prawda" zu lesen war: "Chaos statt Musik", so der Titel des wohl berühmtesten Verrisses der Musikgeschichte. Das Opfer: Dmitrij Schostakowitsch. Der Autor: aller Wahrscheinlichkeit nach Josef Stalin.
Das ist eine fantastische, geniale Musik. Sie lässt niemanden gleichgültig.
"Das Publikum wird von Anfang an mit absichtlich disharmonischen, chaotischen Tönen überschüttet", war in dem Artikel zu lesen. "Alles ist grob, primitiv und trivial. Die Musik schnattert, stöhnt und keucht, um bei jeder sich bietenden Gelegenheit möglichst drastisch die Liebesszenen auszumalen." Mariss Jansons ist natürlich ganz anderer Meinung: "Das ist eine fantastische, meiner Meinung nach geniale Musik. Sie lässt niemanden gleichgültig."
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Stanislav Trofimov (Pope) | Bildquelle: © Salzburger Festspiele / Thomas Aurin
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Brandon Jovanovich (Sergej), Maxim Paster (Sinowi Borissowitsch Ismailow), Nina Stemme (Katerina Lwowna Ismailowa) | Bildquelle: © Salzburger Festspiele / Thomas Aurin
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Bildquelle: © Salzburger Festspiele / Thomas Aurin
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Nina Stemme (Katerina Lwowna Ismailowa), Konzertvereinigung Wiener Staatsopernchor | Bildquelle: © Salzburger Festspiele / Thomas Aurin
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Dmitry Ulyanov (Boris Timofejewitsch Ismailow), Nina Stemme (Katerina Lwowna Ismailowa) | Bildquelle: © Salzburger Festspiele / Thomas Aurin
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Nina Stemme (Katerina Lwowna Ismailowa), Stanislav Trovimov (Pope), Konzertvereinigung Wiener Staatsopernchor | Bildquelle: © Salzburger Festspiele / Thomas Aurin
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Nina Stemme (Katerina Lwowna Ismailowa), Brandon Jovanovich (Sergej), Konzertvereinigung Wiener Staatsopernchor | Bildquelle: © Salzburger Festspiele / Thomas Aurin
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Evgenia Muraveva (Aksinja / Zwangsarbeiterin) | Bildquelle: © Salzburger Festspiele / Thomas Aurin
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Konzertvereinigung Wiener Staatsopernchor | Bildquelle: © Salzburger Festspiele / Thomas Aurin
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Nina Stemme (Katerina Lwowna Ismailowa), Brandon Jovanovich (Sergej) | Bildquelle: © Salzburger Festspiele / Thomas Aurin
Die Hauptfigur in Schostakowitschs Oper ist eine dreifache Mörderin. Katerina Ismailowa genießt als Kaufmannsgattin zwar durchaus gesellschaftliches Ansehen, doch sie leidet. Sie fühlt sich als Gefangene einer brutalen Männerwelt, gegen die sie sich dann ebenso brutal zur Wehr setzt: getrieben von einer unbedingten Gier nach Leben und auch nach Lust. Für Regisseur Andreas Kriegenburg erzählt die Oper daher auch eine Geschichte weiblicher Emanzipation: "Für mich war ganz wichtig, dass es keine Geschichte einer gelangweilten Frau ist, was oft erzählt wird", erläutert Kriegenburg. "Das ist nicht nur die Geschichte des goldenen Käfigs, nach dem Motto 'ich hab' nichts zu tun und ich langweile mich'. Sondern da ist eine Frau, deren ganzer Leib schreit: Ich will leben. Und ich will berührt werden. Und ich will auch aus diesem Käfig voller Privilegien heraus - nicht weil ich zu viel Zeit habe, sondern zu wenig Leben."
"Lady Macbeth" in Salzburg: Szene aus der Inszenierung | Bildquelle: © Salzburger Festspiele / Thomas Aurin Musikalisch nimmt Schostakowitsch bei der Schilderung von Katerinas so lustvoller wie blutiger Emanzipation kein Blatt vor den Mund. Beschönigt oder ästhetisiert wird hier nichts. Im Gegenteil: Schostakowitsch zeichnet in seiner Musik die Extreme mit grafischer Deutlichkeit, ganz gleich, ob Gewalt oder Leidenschaft, groteske Komik oder stille Melancholie auf dem Programm stehen. Sich als Regisseur dadurch nicht das Heft aus der Hand nehmen zu lassen, sei eine Herausforderung, erzählt Kriegenburg. Aber: "Man gewinnt über die Musik auch eine gestalterische Stärke oder eine Kraft zu sagen: dem setze ich mich jetzt aus."
Kriegenburg hat sich letztlich für eine szenische Aktualisierung des Stoffes entschieden und die Bühne in ein urbanes Ghetto verwandelt. Von den Rängen des Salzburger Festspielhauses blickt man direkt hinein in eine düstere Häuserschlucht, die sich zwischen zwei massiven Wohnsilos auftut. Der Regisseur wollte nach eigener Aussage einen Ort schaffen, der die Verlassenheit, aber auch die Gewalt und Lebensgier, die in dem Stoff steckt, spürbar macht.
Ich glaube, dass der Text jetzt so ist, wie er ganz am Anfang war.
Während Kriegenburg die Tragödie um Katerina Ismailowa also in die Gegenwart holt, hat sich Mariss Jansons auf historische Spurensuche begeben: nach der Originalpartitur und dem Originaltext der Oper. Nach dem Verriss in der "Prawda" war "Lady Macbeth von Mzensk" kaum mehr in der Sowjetunion zu sehen. Dreißig Jahr später, lange nach Stalins Tod, kehrte das Werk dann in einer vom Komponisten deutlich entschärften Fassung unter dem Titel "Katerina Ismailowa" auf die Spielpläne zurück. Ende der Siebzigerjahre, einige Jahre nach Schostakowitschs Tod, brachte der berühmte Cellist und Dirigent Mstislaw Rostropowitsch, ein enger Freund Schostakowitschs, eine Abschrift der Erstfassung in den Westen und spielte das Werk in dieser Form auch für die Schallplatte ein. Seitdem hat sich diese Version, zumindest in Westeuropa, allgemein durchgesetzt. Doch selbst in diesem vermeintlichen Original war schon die Selbstzensur des Komponisten am Werk - vor allem, was den deftig-erotischen Text angeht. Den hat Jansons nun durch akribisches Quellenstudium rekonstruiert: "Ich habe alle Partituren gründlich studiert, alle Klavierauszüge verglichen", sagt der Dirigent. "Und ich glaube, dass der Text jetzt so ist, wie er ganz am Anfang war - in der allerersten Version."
Sendung: Allegro, 01. August 2017, 06.05 Uhr auf BR-KLASSIK
Die Aufzeichnung der Premiere sendet BR-KLASSIK am 8. August um 20:03 Uhr im Rahmen der Festspielzeit. Anschließend steht das Audio für 7 Tage on demand zur Verfügung.
Dmitri Schostakowitsch:
"Lady Macbeth von Mzensk"
Oper in vier Akten (Urfassung 1930-1932)
Salzburg, Großes Festspielhaus
Musikalische Leitung: Mariss Jansons
Regie: Andreas Kriegenburg
Infos zu Terminen und Vorverkauf finden Sie auf der Homepage der Salzburger Festspiele.
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