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Pro und Contra Übertitel im Bayreuther Festspielhaus?

Während die Bayreuther Festspiele in diesem Jahr technisch sogar mit "Augmented Reality" experimentieren, gibt es eines dort nicht: Übertitel, so wie sie in den meisten Opernhäusern der Welt längst üblich sind. Wäre es nicht an der Zeit, in Bayreuth nachzujustieren? Was dafür spricht, und was dagegen.

Bayreuther Festspielhaus mit pro- und contra-Symbol | Bildquelle: ©Markus Konvalin/Montage BR

Bildquelle: ©Markus Konvalin/Montage BR

Übertitel im Bayreuther Festspielhaus? Unbedingt!

Zwei Abende habe ich im Festspielhaus verbracht, Reihe 24 und 28. Abzüglich der Pausen waren es etwa achteinhalb Stunden Wagner-Oper, in denen ich liebend gern gewusst hätte, was genau da eigentlich gerade gesungen wird. Warum – bitte sehr – verzichtet das Festspielhaus auf Übertitel? Technisch wäre das wohl kein Problem – Augmented Reality geht schließlich auch.

Szenenbilder Wagners "Tristan und Isolde"  2023 -  Inszenierung Bayreuther Festspiele 2022, Regie: Roland Schwab | Bildquelle: © Enrico Nawrath Technisch gesehen wären Übertitel bei den Inszenierungen im Bayreuther Festspielhaus kein Problem. | Bildquelle: © Enrico Nawrath Und bevor Sie jetzt Luft holen, um zu widersprechen: Doch, ich habe mich vorbereitet, kannte die Handlung und habe im Libretto geblättert, es aber, das muss ich zugeben, nicht auswendig gelernt. Vermutlich kennen viele im Publikum die Wagnerschen Operntexte sehr genau, lieben diese doch eher eigenwilligen Sprachschöpfungen und vermissen gar nichts. Ebenso vielen ergeht es allerdings vermutlich wie mir – verloren in den Klangwelten von Parsifal oder Götterdämmerung.

Mit Übertiteln würden sich Verständnis-Lücken zwischen Orchester, Gesang und Inszenierung schließen.
Kristina Thiele, BR-KLASSIK-Redakteurin

Dirigentin Nathalie Stutzmann sagte im BR-KLASSIK-Interview, bei Wagner gehe es gar nicht in erster Linie um den Gesang. Man könne die Musik ganz ohne Sänger aufführen und würde doch spüren, was Wagner will – alles stecke im Orchesterpart. Das ist sicher richtig, aber: Richard Wagner selber war stolz auf seine Texte – sah darin sogar "ein poetisches Literaturprodukt", rezitierte den "Ring" vor geladenen Gästen und veröffentlichte das "Gedicht" sogar als Druck. Was also spricht dagegen, wirklich allen, die nach Bayreuth kommen, ein umfassendes Wagner-Gesamterlebnis zu ermöglichen? Mit Übertiteln, wie in allen Opernhäusern dieser Welt längst üblich? Wer die Texte nicht braucht – chapeau! Für alle anderen aber würden sich Verständnis-Lücken zwischen Orchester, Gesang und Inszenierung schließen. Richard Wagner würde das vermutlich freuen.

Kristina Thiele

Übertitel im Bayreuther Festspielhaus? Bitte nicht!

Es ist so unglaublich schön, im dunklen Bayreuther Festspielhaus zu sitzen, den Blick durch das ungeheuer tief gestaffelte Proszenium auf die verblüffend klein wirkende Bühne geleitet. Sich auf das zu konzentrieren, was auf dieser Bühne geschieht. Nicht abgelenkt zu werden durch das Geschehen im Orchestergraben, vor allem aber nicht durch das Textgeflimmer über dem Bühnenportal, wie es sonst fast überall üblich ist. Denn man guckt ja doch hin, liest mit und lässt sich ablenken. Das Publikum hört und sieht nicht mehr, es liest.

Szenenbilder Wagners "Tristan und Isolde"  2023 -  Inszenierung Bayreuther Festspiele 2022, Regie: Roland Schwab | Bildquelle: © Enrico Nawrath Wagners dicht gearbeitetes Libretto zu "Tristan und Isolde" ist nicht gleich beim ersten Lesen verständlich. Da hilft oft nur der Opernführer. | Bildquelle: © Enrico Nawrath Regelmäßig wird in den einschlägigen Komödien nicht gelacht, wenn der Witz in der Partitur vorkommt, sondern wenn er über der Bühne nachgelesen wird. Na gut, falsch plazierte Witze sind in "Parsifal" und "Tristan" nicht das Hauptproblem, die Phasenverschiebung der Aufmerksamkeit hingegen schon. Übertitel gaukeln ein Verständnis vor, das sich mit der Oberflächenhandlung zufrieden gibt. Das ist schon mal was, aber es geht einfach kein Weg drumrum: Man muss sich auf Wagners Musikdramen vorbereiten, wenn man auch nur ansatzweise verstehen will, worum es geht. Der Text von "Tristan und Isolde" zum Beispiel ist ungeheuer kunstvoll und dicht gearbeitet, für mich das mit weitem Abstand beste deutsche Opernlibretto. Aber "Des Schweigens Herrin heißt mich schweigen, fass ich, was sie verschwieg, verschweig ich, was sie nicht fasst", wird im ersten Anlauf auch nicht verständlicher, wenn man mitliest. Da hilft nur der Opernführer oder gründliche Librettolektüre.

Textgeflimmer über dem Bühnenportal lenkt ab.
Uwe Friedrich, BR-KLASSIK-Autor

Klingt jetzt vielleicht elitär, ist es aber nicht. Denn selbstverständlich steht es jedem frei, auch unvorbereitet zu den Bayreuther Festspielen zu gehen. Das wirklich Schöne an der Oper ist nämlich, dass man Handlung und emotionalen Gehalt auch dann versteht, wenn man sich dem Sog gänzlich unbeleckt hingibt. Noch bietet das Bayreuther Festspielhaus dafür die richtige Bühne ohne störendes Übertitelgeflimmer. Es wirkt auf herrliche Weise aus der Zeit gefallen, dass das Publikum hier nicht jede Silbe mitlesen muss, sondern im Überwältigungsstrom versinken darf, wie der Meister es wünschte: "Unbewusst, höchste Lust."

Uwe Friedrich

Kommentare (22)

Kommentieren ist nicht mehr möglich.

Sonntag, 13.August, 18:41 Uhr

Helmut Renner, demnächst 80!

Übertitel in Bayreuth, allg. in der Oper

@ uwe friedrich: volle zustimmung! meine erfahrung: mailänder scala , 'la traviata', am schluß ist mir bewußt geworden: ich habe vom bühnengeschehen so gut wie nichts mitbekommen, weil ich nur auf den in der sitzinstallation vor mir eingeblendeten, deutschen text gestarrt habe... ! also: meine erkenntnis vom ersten opernbesuch vor jahrzehnten: vorher inhalt studieren und inkauf nehmen, nicht jedes wort, gesungen oder gesprochen, zu verstehen!

Sonntag, 13.August, 16:29 Uhr

Gabi R. aus München

Übertitel ja bitte und Türen abschließen ein No Go

Da man den Texten nur schwer folgen kann, je nach Klarheit des Gesangs der Sänger, wäre es für den Zuschauer mit Texteinblendingen viel entspannter.
Und gar nicht in Ordnung ist das Türenabschliessen während der Vorstellung. Selbst wenn der Schlüssel steckt kann der bei einem Panikausbruch rausfallen. Und dann? Ist das von der Feuerwehr genehmigt?

Samstag, 12.August, 01:02 Uhr

Weiser Häuptling

Übertitel

Gerade bei langen Erzählungen wie etwa der Wotans im zweiten Aufzug der Walküre wäre es viel leichter, bei der Sache zu bleiben, wenn man jedes einzelne Wort verstünde. Das gelingt mir aber praktisch nie ganz, und bei Tomas Konieczny in der vergangenen Woche überhaupt nicht. Jedenfalls ich verliere dann die Aufmerksamkeit (bin aber wohl nicht der einzige). Übertitel würden die Konzentration fördern und gerade nicht ablenken. Man müsste den Text schon auswendig können, um mitzubekommen, wie das Orchester den Text kommentiert. Die Kenntnis der Handlung genügt dafür nicht. Die Übertitel passen andererseits nicht in die mystische Atmosphäre im Festspielhaus. Mit einigen Kommentaren vor mir wären Datenbrillen mein Wunsch, bei denen jeder selbst entscheiden kann, was sein Erleben intensiviert und bei welchen Stellen man es nutzt. Auch verschiedene Sprachen sollten dann möglich sein. Ob das technisch und finanziell machbar ist?

Donnerstag, 10.August, 09:29 Uhr

Dorfrichter Adam

Auch nein!

Jetzt nochmals ohne Ironie:

1. Ich stelle mir gerade vor, wie es bei einer Videoeinspielung (was per se nicht schlecht sein muss - siehe Tannhäuser) mit Übertiteln zur Reizüberflutung kommt.

2. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass ich bei Übertiteln immer wieder zwanghaft auf diese schauen muss und abgelenkt werde, und das ist in Bayreuth - zu Recht - nicht im Sinne des Erfinders.

3. Es ist - worauf die Vorredner hingewiesen haben - heute technisch möglich, auch ohne Übertitel den Text mitzulesen. Bei der Komischen Oper in Berlin wird dies praktiziert, und so konnte ich mich bei dem dortigen unterirdischen Holländer wenigstens an der türkischen Übersetzung erfreuen.

Also eindeutig nein, nein und nochmals nein!

Donnerstag, 10.August, 09:20 Uhr

TFF

Übertitel - welche Sprachen bitte?

Mal abgesehen davon, dass nichts (!) vom Bühnengeschehen ablenken soll und das hervorragend effektvoll gelingt und klingt vergessen die Autoren dabei: Das Publikum ist international! Übertitel müssten auf französisch/ englisch/ italienisch/ japanisch/ chinesisch/ arabisch/ türkisch/ slowenisch usw. angeboten werden.
Der nächste bizarre Vorschlag wäre: Den Orchesterdeckel vielleicht aus Plexiglas damit man mal mal das Orchester sieht - merkste selber…

Mittwoch, 09.August, 17:32 Uhr

Elisabeth Steffani-Grasberger

Uebertitel

Nein!!!!!!!!!

Mittwoch, 09.August, 14:17 Uhr

Thomas Linkel

Übertitel im Festspielhaus auf keinen Fall!

Es kann ja wohl nicht wahr sein, dass diese Diskussion jetzt auch in Bayreuth beginnt! Wer zu faul ist sich gut vorzubereiten der sollte eben lieber ins Kino gehen.
Außerdem missachtet er die Intension des Komponisten, welche zu seiner Zeit revolutionär war, das NICHTS vom Geschehen auf der Bühne ablenken soll. Jeder Zuschauer würde damit der Möglichkeit beraubt, sich bei einer guten Inszenierung, hineinziehen zu lassen und Raum und Zeit zu vergessen.
Also, Finger weg von Texteinblendungen!

Mittwoch, 09.August, 13:15 Uhr

Phil

Übertitel ja

Ich kenne etwa 20 Prozent des Texts denWotan zu singen hat. Verstanden hab ich etwa 7Prozent. Da frag ich mich wie das bei all den Leuten um mich rum aussieht. Da spielt es offensichtlich keine Rolle wenn man nichts versteht. Bei Hunding und Hagen und auch Brünnhilde hat man fast alles verstanden

Mittwoch, 09.August, 11:24 Uhr

Uwe Lotzgeselle

Bayreuth / friedliches Miteinander

Warum diese Streitfrage mit „pro“ und „contra“? Warum kein Mittelweg? Fest steht: Ohne das Lesen des Textbuches, hat man nicht den vollen Genuss - gerade beim Tristan. Den Text kann man nicht einfach so bei der Vorstellung nebenbei mitlesen und ihn ganz verstehen. Das bedeutet aber nicht, dass nur noch die Besucher ins Festspielhaus gelassen werden, die den kompletten Text auswendig aufsagen können, und die anderen müssen draußen bleiben. Auch der, dem eine kurze Inhaltsangabe als Vorbereitung reicht, soll sich im Festspielhaus willkommen fühlen, und für den sind eingeblendete Texte hilfreich. Mein Vorschlag: Statt mit den AR-Brillen überflüssige, schwebende Gegenstände einzublenden, sollte man für die, die es wünschen, die Möglichkeit schaffen, den Text mittels AR-Brille mitzulesen – gern auch mit der eigenen mitgebrachten AR-Brille und in verschiedenen Sprachen. Die anderen genießen das Bühnenbild ohne störende Textprojektionen.

Mittwoch, 09.August, 10:08 Uhr

Hoffmann eric

Übertitel - ja bitte

Auch wenn ich mit Wagner aufgewachsen bin und tatsächlich viele Passagen auswendig kenne befürworte ich klar Übertitel. Dies erhöht die Verständlichkeit der Handlung und ist auch wichtig um die Musik besser zu verstehen.
Alle Welt weiß wie schwierig es ist gerade auch ein jüngeres Publikum für die Oper zu gewinnen. Hier ist eine einfache Möglichkeit um das Publikum abzuholen und einen weiteren „Graben“ zu überbrücken.

Mittwoch, 09.August, 10:01 Uhr

Freya

Bringt doch auch nix

jaaaa gut. Also in den Sitzen der Vorderreihe is das in Bayreuth blöd, weil die sich ungefähr einen halben Meter tiefer befinden, wäre der Titel über dem Proszenium würde das in der ersten Reihe bedeuten, dass man 20 Meter nach oben schauen muss... Daran solls nicht scheitern. Aber mal im Ernst: als ob die Leute in allen anderen Häusern kapieren, worum es im Parsifal geht, nur weil da Texte zu lesen sind... Das löst das Problem und Mysterium Wagner halt auch nicht.
Aber für alle die es wollen: da könnte man doch dann wieder die AR Brillen nutzen, nech?

Mittwoch, 09.August, 09:16 Uhr

Dr. Michael Strobel

Artikulation

Frühere Generationen von Opernsängern artikulierten so wortdeutlich, dass man buchstäblich jedes Wort verstand. Ich denke da an Gottlob Frick, Franz Mazura oder Sir John Tomlinson. Ähnliches galt für Schauspieler. Und die Opernfreunde bereiteten sich vor und kannten die Texte. In einer Zeit zunehmender geistiger Verflachung und Verblödung kann man das nicht mehr erwarten. Im letzten Münchner Tristan waren die Sänger mehrfach ihren Übertiteln weit voraus. Was soll ich sagen?

Dienstag, 08.August, 19:01 Uhr

Ein Wagnerianer

Übertitel

Die Verwendung von Übertitel in Bayreuth ist eine gute Idee, vor allem wenn das Management dort ein breiteres und jüngeres Publikum erreichen will. Dies würde die Oper weitaus zugänglicher machen als einige der jüngsten Gimmicks (z. B. Augmented-Reality-Brillen). Selbst für jemanden, der die deutsche Sprache sowie das Libretto und die Handlung gut kennt, ist Wagners Kompositionsweiße manchmal sehr schwer zu verstehen. Ich bin sicher, dass Wagner sich wünschen würde, dass seine Texte verstanden werden.

Dienstag, 08.August, 18:52 Uhr

Stefan W.

O.g. Beitrag Übertitel

UNBEDINGT:

ÜBERTITEL
NEUE HOLZBESTUHLUNG /Zumutung
KLIMA-ANLAGE

Dienstag, 08.August, 16:41 Uhr

Stalder Kaspar

Übertitel Ja!!!!

Dienstag, 08.August, 15:23 Uhr

Ulrich Harbott

Übertitel im Festspielhaus

AUF KEINEN FALL.
Passt optisch nicht ins Haus.
Und wenigstens dort sollten sich Besucher auf das Werk vorbereiten.
Man muss ja nicht alle Texte im Kopf haben und mitsingen können (wie ich und viele andere Opernfans), aber den Inhalt sollte man schon kennen.

Dienstag, 08.August, 15:16 Uhr

Joachim Neuerburg

Übertitel Wagner Opern in Bayreuth

Bin absolut ebenfalls der Meinung, dass die ausgezeichneten Texte durch Übertitelung besser verstanden würden. Frage mich, warum andere Ablenkungsmanöver offensichtlich wichtiger erscheinen als das Verständnis des Librettos. Ich würde mich freuen, wenn das eines Tages geändert würde. Andernfalls höre ich mir Wagner Opern fast lieber in anderen Opernhäusern an.

Dienstag, 08.August, 15:05 Uhr

Gufo

Übertitel

Wo ist das Problem ?Macht es wie einige italienische Opernhäuser.Dort sind kleine Bildschirme an der Rückseite des Sitzes vor einem angebracht, die niemanden stören und die doch das Mitlesen, so man es will, ermöglichen.Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg.

Dienstag, 08.August, 14:41 Uhr

Susi

Übertitel

Gerade weil der Text so schön ist, man ihn aber doch nicht auswendig kann, wären Übertitel angenehm.
Ich verstehe aber auch, dass manche lieber nicht durch Leuchtbuchstaben abgelenkt werden möchten. Vielleicht mal so, mal so?
Für mich wäre sowieso etwas anderes vordringlich, nämlich ein gut verständliches und ausreichend beleuchtetes Bühnenbild, in dem sich die Sänger logisch und gut sichtbar bewegen.
Andererseits kann man in Bayreuth einfach die Augen schließen und die überirdische Akustik genießen...

Dienstag, 08.August, 13:43 Uhr

Gabi Brenner

übertitel

oper als gesamtkunstwerk braucht textverständnis.
Bei der aktuellen Tristan Inszenierung habe ich übermittelt sehr vermisst.

Dienstag, 08.August, 13:41 Uhr

Dorfrichter Adam

Übertitel

Kompromissvorschlag: Übertitel ja, aber bitte in einer drolligen Sprache. Ich schlage Dänisch vor.

Dienstag, 08.August, 12:43 Uhr

Singer

Übertitel

Ich stimme Uwe Friedrich absolut zu. Übertitel lenken ab! Das wollte Wagner sicherlich nicht. Es ist schon Ablenkung, wenn während der Overtüren Aktion auf der Bühne ist. Vorhang zu und Musik genießen!!!

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