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100 Jahre "Deutschlandlied" Die Geschichte einer Hassliebe

Hymnen sollen mit Musik und Text Heimat symbolisieren und Vaterlandsliebe wecken. Das ist aber gar nicht so leicht, denn jede Hymne hat ihre Geschichte. Und gerade die der deutschen Nationalhymne ist alles andere als unbelastet. Vor 100 Jahren, am 11. August 1922, erklärte Friedrich Ebert das "Lied der Deutschen" von Hoffmann von Fallersleben mit der Musik von Joseph Haydn zur Nationalhymne.

Hoffmann von Fallersleben | Bildquelle: picture-alliance/dpa

Bildquelle: picture-alliance/dpa

Die 3. Strophe des Liedes der Deutschen von Hoffmann von Fallersleben mit der Melodie von Joseph Haydn ist die Nationalhymne für das deutsche Volk.
Bundespräsident Richard von Weizsäcker an Bundeskanzler Helmuth Kohl, 19. August 1991

Das Deutschlandlied hat alte Wurzeln

Die Rahmendaten sind schnell erzählt: Reichspräsident Friedrich Ebert erklärt das "Deutschlandlied" 1922 erstmals zur offiziellen Nationalhymne. Die Musik stammt von Joseph Haydn und ist nicht das Problem. Zu Ehren von Kaiser Franz II. hatte Haydn 1796 ein Lied komponiert und die Melodie wenig später im langsamen Variationen-Satz eines Streichquartetts wieder verwendet. Jeder findet sie wunderschön – auch heute noch.

Missbrauch und Propaganda

Hoffmann von Fallersleben | Bildquelle: picture-alliance/dpa Der Dichter August Heinrich Hoffmann von Fallersleben (1798-1874) schrieb das "Lied der Deutschen". | Bildquelle: picture-alliance/dpa Die Interpretationsspielräume, die Missverständnisse und schließlich der Missbrauch liegen im Text: Als Hoffmann von Fallersleben 1841 auf Helgoland das "Lied der Deutschen" schreibt, spiegeln sich in den Zeilen "Deutschland, Deutschland über alles" nicht Arroganz und Rassismus, sondern die Sehnsucht nach einer geeinten Nation. Der deutschsprachige Raum besteht damals aus 39 Einzelstaaten, niemand zieht am selben Strang, jeder Fürst agiert aus Eigeninteresse.

Die Nationalsozialisten benutzen Fallerslebens Text ohne Rücksicht auf seinen historischen Kontext bewusst für ideologische Propaganda – Einigkeit und Recht und Freiheit lassen sie verbieten, die erste Strophe gilt mit dem Horst-Wessel-Lied als offizielle Hymne. Damit ist das Deutschlandlied nach dem Zweiten Weltkrieg stigmatisiert, für viele ein Tabu. Konrad Adenauer macht sich 1950 für die dritte Strophe stark, weil ihm bei Staatsempfängen Ersatzlieder wie "Heidewitzka, Herr Kapitän" vorgespielt werden, für den strengen Konservativen ein Graus.

Wandel der Hymne durch Wiedervereinigung und Fußball

Hitzige, emotionale und intensive Debatten über Jahrzehnte folgen. Wirklich zurück zu ihrer Hymne der Brüderlichkeit finden die Deutschen erst 1990 mit der Wiedervereinigung und der Anordnung von Bundeskanzler Helmut Kohl und Bundespräsident Richard von Weizsäcker. Aber selbst dann braucht es nochmal 16 Jahre und eine Fußball-Weltmeisterschaft, bis wir uns trauen, in Haydn und Fallersleben auch emotional das zu entdecken, was ursprünglich gemeint war: ein aufrichtiges Bekenntnis zu einer fairen, gleichberechtigten und toleranten Gesellschaft.

Seit 1991 offiziell

Ganz offiziell Nationalhymne ist die dritte Strophe von Fallerslebens Deutschlandlied erst seit 1991. Das besiegelten Bundeskanzler Helmut Kohl und Bundespräsident Richard von Weizsäcker in einem Briefwechsel: Die Dritte Strophe des Hoffmann-Havdn’schen Liedes habe sich als Symbol bewährt und solle es bleiben.

Der Wille der Deutschen zur Einheit in freier Selbstbestimmung ist die zentrale Aussage der 3. Strophe des Deutschlandliedes. Deshalb stimme ich Ihnen namens der Bundesregierung zu, dass sie Nationalhymne der Bundesrepublik Deutschland ist.
Helmut Kohl an Bundespräsident Richard von Weizsäcker, 23. August 1991

Sendung: "Allegro" am 11. August 2022 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK.

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