In den 1960ern gehörte Valentin Silvestrov zu Kiewer Avantgarde. Der Komponist schrieb atonale Musik. Wenn man seine heutigen Stücke hört, kann man sich das kaum mehr vorstellen. So wohlklingend, tonal und, ja, romantisch ist Silvestrovs Musik inzwischen. Metamusik, so nennt der 85-jährige Ukrainer sie selbst. Ein moderner Schubert, könnte man auch sagen. Nun haben der Geiger Daniel Hope und der Pianist Alexey Botvinov ihm ein neues Album gewidmet. Mit einer Weltersteinspielung – und Melodien, die man nicht so leicht wieder aus dem Kopf bekommt.
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Etwas Kompliziertes einfach auszudrücken, das ist die große Kunst. Wissen Schriftstellerinnen und Journalisten, manche Ärzte oder Leute aus der Wissenschaft. Und: einige Komponisten. So zum Beispiel Valentin Silvestrov. Der Meister des sensiblen Klangs, oder, um es jetziger zu formulieren: der Achtsamkeit.
Dieses Album wird lieben, …
… wer die kleinen Gesten zu schätzen weiß.
Dieses Album hat gefehlt, weil ...
... darauf eine Weltersteinspielung zu hören ist – ein ganz aktueller Silvestrov!.
Dieses Album hört man am besten …
… wenn der Tag zur Nacht wird oder umgekehrt.
Kritiker unterstellen ihm manchmal einen Hang zum Kitsch. Dabei ist seine Musik alles andere als schmalzgefühlig. Es ist nur so: Der Ukrainer verabscheut Monumentalismus, er stellt den großen Gesten lieber etwas Sanftes, Schlichtes entgegen. Das ist Protest mit den Mitteln der Behutsamkeit. Und gerade deshalb: so wirksam. Wie ein tiefes, tiefes Ein- und Ausatmen. Wohltuend und bedacht, reduziert und emotional ist dieses Mono-Silvestrov-Album von Daniel Hope und Alexey Botvinov.
Als Aufhänger haben sich der irisch-deutsche Geiger und der ukrainische Pianist ein Stück ausgesucht, das Silvestrov ihnen schon zum großen Beethoven-Jubiläumsjahr komponiert hatte. „Pastorales 2020“ heißt es. Wo wäre eine Weltersteinspielung besser platziert als hier, auf diesem Album? Musikalische Themen, melodische Wendungen aus Beethovens 6. Sinfonie schimmern hier. Das macht Silvestrov häufiger, nicht nur mit Beethoven, sondern auch mit Rachmaninow oder Bach. Er umspielt die Themen, wendet und entwickelt sie.
All das und mehr findet Platz auf diesem wohldurchdachten Album. Hope und Botvinov spielen mit einer Tiefe, in der innerhalb weniger Takte drei, vier, fünf verschiedene Beleuchtungen, Farben, Emotionen aufscheinen. Zarte Streicherklänge und schnurrende Klavierbässe, bis hin zu tänzelnder Luftigkeit. Musik, die bestechend schlicht ist und schön, wirklich schön.
Und wie so oft lauert hier die eigentliche Schwierigkeit. Denn je zarter und luftiger die Musik, desto präziser und klarer muss man sie spielen. Das schafft das Duo Hope und Botvinov auf diesem Album glänzend. Und so gelingt die große Kunst, und das Schwierige klingt ganz mühelos, ganz leicht.
Silvestrov
Melodies of the Moments - Cycle III
Nostalghia
Two Pieces
Hommage à J.S.B.
Melodies of the Moments - Cycle VI "25.10.1893 … in memoriam P.I.Tsch."
Pastorales 2020
Daniel Hope, Violine
Alexey Botvinov, Klavier
Label: Deutsche Grammophon
Sendung: "Piazza" am 8. Oktober 2022 ab 8:05 Uhr auf BR-KLASSIK
Kommentare (2)
Montag, 10.Oktober, 09:17 Uhr
Fuchs A.
CD
Leider gibt es anscheinend nur Stream oder Download.
Samstag, 08.Oktober, 20:49 Uhr
Fuchs A.
CD
Wo kann man denn diese CD kaufen?
Anm. der Redaktion:
Nach Angaben des Labels ist die CD seit 30. September erhältlich, auch als Download bzw. Stream über die gängigen Plattformen.