Streichinstrumente haben einen kostbaren Ruf. Nur wer‘s kann, traut sich ran. Doch bei den Münchner Geigentagen heißt es ausdrücklich "berühren erlaubt". Denn bei dieser Werkschau der Münchner Geigenbauerinnen und Geigenbauer darf jeder die ausgestellten Instrumente testen.
Bildquelle: Münchner Geigentage
Verschiedene Töne, Klangfetzen und Stimmtöne. Es klingt wie ein normales Einspielen hier im Mars-Venus-Saal des Bayerischen Nationalmuseums. Doch so ganz normal ist es nicht, was Alba González i Becerra und Stephen Ristau vom Diogenes-Quartett hier machen. Denn sie tauschen nach ein paar Bogenstrichen, nach ein paar Tönen die Instrumente. Welches passt besser zu Schulhoff? Welches zu Haydn? Mit deren Werken eröffnet das Diogenes Quartett die Münchner Geigentage – gespielt auf neuen Instrumenten, die 28 Münchner Geigenbauwerkstätten dort im Bayerischen Nationalmuseum ausstellen. Beim Testen versucht die Bratschistin Alba González i Becerra aber in erster Linie nicht auf die Namen der jeweiligen Instrumentenbauer und Instrumentenbauerinnen zu achten: "Damit es ganz neutral bleibt", erklärt sie. Es sei wichtig, dass sie jetzt nicht zu den gut sichtbaren Namensschildern über den Instrumenten schaue: "Die sind hier so gut organisiert mit den Namen und so. Das ist für mich jetzt nicht optimal, deshalb muss ich mich austricksen."
Das Diogenes-Quartett eröffnet die Münchner Geigentage. | Bildquelle: Vanessa Daly, ©diogenes-quartett.de Denn bei den Münchner Geigentagen stehen die Instrumente im Fokus. Und ihre Erbauerinnen und Erbauer. Die Stadt München hat pro Einwohner die größte Geigenbauerdichte in ganz Deutschland. Berlin und Freiburg sind weitere Zentren. Der Geigenbauer Wolfgang Schiele erklärt sich das über die geburtenstarken Jahrgänge nach dem zweiten Weltkrieg, da haben sich dann junge Menschen auch mal an ausgefallenere Ausbildungsberufe gewagt. Und München liegt eben nahe an der berühmten Geigenbauschule in Mittenwald und ist durch die vielen Orchester ein attraktiver Standort. "Die Szene in München ist tatsächlich sehr groß, das kann man wirklich sagen, über 20 Laienorchester gibt es in München und dementsprechend viele Amateure, die Spaß haben Musik zu haben", erklärt Wolfgang Schiele.
Wolfgang Schiele hat seine Werkstatt in München und Mitorganisator der München Geigentage. Auch für diese vielen Laien ist die Ausstellung, oder die Werkschau, wie Schiele es nennt, während der Geigentage gedacht. Wer ein neues Instrument sucht, muss dann nicht alle Werkstätten abklappern, sondern kann sich hier durch die verschiedenen Instrumente spielen. Wie kleine Häuschen sehen die Ständer aus, auf denen die Instrumente liegen. Um ein Podium herum aufgestellt, dazwischen riesige Schallschutzwände, die den kathedralenartigen Saal akustisch ein bisschen eindämmen; und die aussehen wie leere Leinwände. Aber klar, die Kunst, die hier in den kommenden zwei Wochen ausgestellt wird, ist ja auch keine zum Anschauen. Sondern zum Anhören. Und in diesem speziellen Fall auch zum Anfassen, wie Wolfang Schiele erklärt: "Man kann sich informieren, jeder Interessierte kann die Instrumente sehen. Man kann sie auch Spielen, Ausprobieren, die Bögen auch und sich einen Überblick verschaffen."
Geigentesten bei den Münchner Geigentagen 2019. | Bildquelle: Münchner Geigentage Probieren darf hier also nicht nur das Diogenes-Quartett. Sondern auch alle anderen Interessierten. Auf was er bei der Instrumentenwahl achtet, das kann Cellist Stephen Ristau gar nicht so genau beschreiben: "Schwer zu sagen, das ist so ein bisschen Intuition, einfach ob es ausgeglichen ist, das Instrument, ob es spielbar ist für einen selber." Ob Geige, Bratsche oder Cello für einen selbst spielbar ist, auch das kann man bei den Münchner Geigentagen in den kommenden zwei Wochen herausfinden. Auch, wenn man noch nie ein Streichinstrument in der Hand hatte. Die 7. Münchner Geigentage laufen noch bis zum 23. Oktober im Bayerischen Nationalmuseum. Neben der Ausstellung gibt es Konzerte, Vorträge und Testspiele.
Sendung: "Allegro" am 7. Oktober 2022 ab 06:05 Uhr auf BR-KLASSIK
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