Dieses Jahre wäre György Ligeti 100 geworden. Das Quatuor Diotima hat das Jubiläum zum Anlass genommen, seine Streichquartette neu aufzunehmen. Und was ist das nur für eine tolle Musik: bildhaft, verführerisch, visionär!
Bildquelle: Pentatone
Ligetis Musik ist nicht für Insider geschrieben. Der Filmregisseur Stanley Kubrick hat das als einer der ersten erkannt. In seinem Kultfilm "2001– Odyssee im Weltraum" ließ er ein Raumschiff zu Ligeti-Klängen durchs All düsen. 1968 war das. Auch in anderen Meisterwerken wie "Shining" oder "Eyes Wide Shut" setzte Regisseur Kubrick auf Ligeti. Aber auch in den populären Monsterfilm "Godzilla" haben es Ligetis geheimnisvolle Klänge geschafft.
Warum? Ligetis Avantgarde-Musik erzählt immer Geschichten, zaubert Bilder vors innere Auge. In seinem zweiten Streichquartett kreiert Ligeti flimmernde Klangflächen. Das Quatuor Diotima lässt sie verführerisch aufleuchten. Tatsächlich waren es oft visuelle Eindrücke, die Ligeti inspirierten. Manchmal erschienen sie ihm im Traum. Schon 1950 hatte er während einer Nacht in Budapest die Vision einer völlig neuartigen Musik. Eine Art Erleuchtung.
Damals konnte er diese Klänge aber noch nicht aufschreiben. Die Avantgarde war vom kommunistischen Regime geächtet. Auf dem neuen Album des Quatuor Diotima ist ein selten zu hörendes Jugendwerk aus dieser Zeit zu entdecken: Zwei Sätze für Streichquartett von 1950. Hier folgt der ganz junge Komponist noch brav den Vorgaben der Partei und schwelgt ungebrochen in Dur. Magische Klänge erfindet er aber auch mit eher traditionellen Mitteln.
Viel mutiger ist dann jedoch sein offizielles Streichquartett No. 1 von 1954. Uraufgeführt werden konnte es damals in Ungarn nicht. Viel zu dissonant. Volksfeindlich, dekadent, entartet – so tönte die kommunistische Propaganda. Dabei ist dieses Quartett ein absolutes Meisterwerk – auch wenn noch vieles an Ligetis Vorbild Belá Bartók erinnert.
Cover des Albums "Metamorphosis Ligeti" | Bildquelle: Pentatone 1956 wurde der Ungarn-Aufstand von sowjetischen Panzern brutal niedergeschlagen. Ligeti floh nach Deutschland. Und das war keineswegs selbstverständlich. Geboren wurde er 1923, vor genau hundert Jahren, in Siebenbürgen als Sohn jüdischer Eltern. Der Vater wurde im KZ Bergen-Belsen ermordet, der Bruder in Mauthausen. Trotzdem ging Ligeti nach Köln und wurde später Professor in Hamburg. 2006 ist er gestorben. Mit seiner Klangflächen-Musik und seinen rhythmischen Verwirrspielen hat er der Musikgeschichte eine neue Richtung gegeben. Sein 100. Geburtstag (28. Mai) ist eine schöne Gelegenheit, diese visionäre Musik zu entdecken.
Titel: Metamorphosis Ligeti
Musik: Streichquartette, György Ligeti
Künstler: Quatuor Diotima
Label: Pentatone
ET: 3. März 2023
Sendung: "Piazza" am 25. März ab 08:05 Uhr auf BR-KLASSIK
Kommentare (1)
Montag, 27.März, 14:49 Uhr
Beate Schwärzler
György Ligeti - der Visionär
Für mich war dieses Portrait ein Wach-Macher am vergangenen Sonnabend.
Wünschte, ich hätte diesen Komponisten früher besser kennengelernt.