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Anne-Sophie Mutter im Interview "Vivace" – Die Stargeigerin jetzt im Kino

Mit "Vivace" kommt jetzt eine Dokumentation über Anne-Sophie Mutter in die Kinos. Am 29. März findet bayernweit ein Kino-Event statt, präsentiert von BR-KLASSIK. Im Interview verrät die Stargeigerin, wieso sie den Film nur mit Roger Federer machen wollte. Und: was Sport und Musik mit Magie gemeinsam haben.

Szene aus der Doku "Anne-Sophie Mutter - Vivace" | Bildquelle: Jürgen Carle

Bildquelle: Jürgen Carle

BR-KLASSIK: Anne-Sophie Mutter – Konzerte, Uraufführungen, Benefizveranstaltungen, Patenschaften, das alles ist Alltag für Sie. Aber so eine abendfüllende Kinodoku mit Ihnen permanent im Mittelpunkt, das ist vielleicht auch für eine Anne-Sophie Mutter etwas ganz Besonderes. Wie haben Sie denn reagiert, als sie mit den Plänen zu "Vivace" konfrontiert wurden?

Anne-Sophie Mutter: Wirklich interessiert hat mich der Gedanke einer Dokumentation über mein Leben erst, als die Idee aufkam, dass ich mir Lieblingsgesprächspartner aussuchen könne, allen voran natürlich Roger Federer. Das war für mich der große Aufhänger, weil ich in den Gesprächen mit Menschen, die nicht zwangsläufig Musiker sind, wie etwa der Magier Steve Cohen, Dinge erfahren kann über deren kreativen Schaffensprozess, über deren Art, sich zu fokussieren, Dinge, die vielleicht auch für ein breites Publikum interessant sind. Das war die Idee: weg von der Musik gehen, aber immer wieder Querbezüge zurück zur Musik schlagen.

Doku "Vivace" in der ARD Mediathek

Die Doku "Anne-Sophie Mutter – Vivace" können Sie inzwischen auch in der ARD Mediathek anschauen.

Wie Mutter ihre Gäste fand: Barenboim, Federer und Co.

BR-KLASSIK: Wie lange haben Sie denn überlegt, bis Sie Ihre vier oder fünf Gäste parat hatten, die dann in den Final Cut kamen?

Szene aus der Doku "Anne-Sophie Mutter - Vivace", Anne-Sophie Mutter und Daniel Barenboim | Bildquelle: Jürgen Carle Ausschnitt aus "Vivace": Anne-Sophie Mutter im Gespräch mit Daniel Barenboim | Bildquelle: Jürgen Carle Anne-Sophie Mutter: Das ist ein sehr gute Frage. Das war kein leichter Prozess. Es gab natürlich Namen, die sich geradezu aufgedrängt haben. Neben Roger Federer war das Lambert Orkis, mein langjähriger Freund am Klavier, mit dem ich seit Mitte der 80er zusammenarbeite. Auch Daniel Barenboim war schnell klar, weil ich ihn auch schon so lange kenne und bewundere, wegen seiner Arbeit mit dem West-Eastern Divan Orchestra und weil ich seinen völkerverbindenden Ansatz schätze.

Aber bei den anderen war es wirklich ein schwerer Prozess. Etwa als es darum ging, welchen großen Komponisten ich gerne für die Dokumentation befragen würde. Es ist dann Jörg Widmann geworden, einfach weil er der junge, große, deutsche Komponist ist. Aber sehr im Fokus steht natürlich Federer, die Querbezüge zwischen High Performance und Sports, Athleticism in Music, und der Magier, der uns zum Stauen bringt. Große Leistungen in der Musik oder im Sport haben manchmal ja auch etwas Magisches an sich.

"Vivace" mit BR-KLASSIK im Kino erleben

Der neue Dokumentarfilm über die Stargeigerin kommt ins Kino. Mit BR-KLASSIK können Sie kostenlos beim großen Kino-Event am 29. März dabei sein. Ab dem 24. März gibt es hier eine begrenzte Anzahl Tickets zu gewinnen. Klicken Sie hier für mehr Infos.

Was hat Karajan mit einem Krokodil zu tun?

BR-KLASSIK: Also, es gibt einerseits prominente Gäste, Freunde, Menschen, die sie bewundern. Andererseits lebt der Film natürlich auch von Archivmaterial, Szenen von Ihnen als junger Wundergeigerin. Als Sie 13 Jahre alt waren, hat Sie Herbert von Karajan entdeckt. In der Doku bringen Sie ihn mit einem Krokodil in Verbindung. Wieso?

Anne-Sophie Mutter: Ja [lacht], das kam vielleicht missverständlich rüber. Ich bekam 1976 die Einladung, Herbert von Karajan vorzuspielen. Das war mir damals schon unheimlich. Ich wollte eigentlich gar nicht hinreisen. Aber zu meiner Überraschung hat damit eine bis zu seinem Tod währende Zusammenarbeit begonnen, über 13 Jahre. Und nach diesem Vorspiel, nach dieser völligen Überraschung, dass Karajan mit mir arbeiten will – weil da wirst du ja wirklich aus der Normalität katapultiert, da tun sich ja unglaubliche Möglichkeiten auf – ging ich in den Zoo und fühlte mich irgendwie unbesiegbar. Und ja, bei der Gelegenheit wollte ich auch ins Terrarium klettern, zu den Krokodilen. Das bedeutet aber nicht, dass mich Karajan an ein Krokodil erinnert hat. Ich war einfach nur so voller Freude, dass ich dachte: Jetzt kann mir nichts passieren!

Sehr private Einblicke in das Leben der Geigerin

BR-KLASSIK: Man erlebt Sie in dieser Doku von Sigrid Faltin ungewöhnlich privat. Unter anderem sagen Sie, Sie seien erst richtig Mensch geworden, als Sie Witwe waren ...

Anne-Sophie Mutter: ... das ist natürlich sehr zugespitzt formuliert, aber die Konfrontation mit dem Tod und wie schnell sich ein Leben gerade mit einer Krebsdiagnose ändert, dabei wird einem sehr bewusst, wie endlich und fragil unser Leben ist. Das hat mich menschliche Beziehungen noch sehr viel mehr schätzen gelehrt. Und es hat mein Interesse an Benefizarbeit verstärkt. Es hat eigentlich meinen Fokus auf die Anderen, auf das Leben außerhalb meines Geigenspiels erweitert. Und es hat mir bewusst gemacht, dass ich nicht dazu da bin, meine Fähigkeiten zu perfektionieren, das ist sozusagen ein Nebenprodukt, sondern dass ich mich aktiv und sinnvoll in die Gesellschaft einbringen will und muss.

Ein Mensch ist erst dann tot, wenn niemand mehr an ihn denkt
Anne-Sophie Mutter

BR-KLASSIK: Aber Sie haben ja ganz offensichtlich auch Trauerarbeit bewältigt mit und durch Musik. Im Film erzählen Sie eine ganz ergreifende Anekdote, wie sie Mozart spielen und plötzlich ein Schmetterling auf der Bühne erscheint.

Anne-Sophie Mutter: Ja also, unsere Kinder waren ja ganz klein, als ihr Vater [der Rechtsanwalt Detlef Wunderlich; A.D.R.] verstarb. Arabella war drei, und Richard hatte gerade seinen ersten Geburtstag. Und ich musste meinen Kindern dann natürlich irgendwann erklären, warum Papa nicht mehr da ist. Und das habe ich anhand eines Schmetterlings gemacht. Anhand der Transformation der Raupe, die sich von dem müden, kranken Körper befreit, damit ihre Seele schweben kann.

Und dann bin ich nach der Beerdigung mit Lambert Orkis auf Tournee gegangen, und wir hatten auch eine Sonate von Mozart im Gepäck, nämlich die einzige in Moll, KV 304, die Wolfgang nach dem Tod seiner Mutter in Paris geschrieben hatte und die natürlich wegen des biografischen Hintergrunds für uns sowieso schon ein schwerer Gang war. Und just an einem der Abende, wir waren in Berlin in der Philharmonie, kommen wir nach der Pause auf die Bühne und genau da, wo ich stehe, sitzt ein wunderschönes Pfauenauge. Es war wirklich schwer für Lambert und mich, das Konzert zu beginnen ...

BR-KLASSIK: Sehr verständlich. Glauben Sie denn an sowas wie einen Wink des Himmels, an Transzendenz oder Spiritualität?

Anne-Sophie Mutter: Ich fühle, dass viele Menschen, die wir im Lauf des Lebens verlieren, vom Spirit her irgendwie weiterleben. Und ich halte es mit der Philosophie, die sagt: Ein Mensch ist erst dann tot, wenn niemand mehr an ihn denkt.

Was haben Tennis und Musikmachen gemeinsam?

BR-KLASSIK: Kommen wir zum Ausklang des Gesprächs noch mal auf Leichteres. Im Film sprechen Sie mit ihrem großen Idol, dem Tennisspieler Roger Federer, und da erwähnen Sie, dass für Sie das Musizieren viel mit dem Flow zu tun habe, den man eben auch aus dem Sport kennt. Wie merken Sie, Frau Mutter, dass sie beim Geigenspielen im Flow sind?

Szene aus der Doku "Anne-Sophie Mutter - Vivace", Roger Federer | Bildquelle: Jürgen Carle Roger Federer in "Vivace": Anne-Sophie Mutter ist Fan des Tennisstars | Bildquelle: Jürgen Carle Anne-Sophie Mutter: Also, in der Musik ist es, glaube ich, wie beim Sport auch. Natürlich ringt man erst um die Fertigkeit, damit der Körper das ausführt, was man ausdrücken oder erreichen möchte. Aber im Konzert stellt sich dann manchmal so eine Deckung ein: des Erlernten mit dem Moment, den du mit anderen teilst, das alles überlappt sich plötzlich. Alles gelingt, es spielt [lacht] und du spürst, dass alle mit dir in diesem Moment diese Emotion und diesen einmaligen Augenblick teilen. Ich durfte das auch als Zuhörerin erleben, öfter in meinem Leben, und das ist eine wahnsinnig bereichernde Erfahrung, weil du so aus dir selbst entrückt wirst in eine Gemeinschaft. Wir sind nun mal soziale Wesen, daran wird man in solchen Momenten erinnert.

Sendung: "Allegro" am 23. März ab 06:05 Uhr auf BR-KLASSIK

Kommentare (4)

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Donnerstag, 23.März, 18:29 Uhr

Siegfried Metzger

Ach Theodor........

......hätten Sie doch besser geschwiegen, Sie wären ein Philosoph geblieben! Aber jeder darf sich auf seine Weise blamieren, Ihr Wortbeitrag ist einfach nur voll daneben.

Mittwoch, 22.März, 16:32 Uhr

Dr Recital

Anne Sophie Mutter Vivace

Tolles Interview , tolle Vorabinformation , ich finde es genial , wie der BR sich dieses Themas annimmt , ja fast adoptiert und der Ursprungssender SWR vor sich hin träumt.
Ich werde den Film mit grossem Interesse sehen wollen
Danke BR

Antwort von BR-KLASSIK:
Vielen Dank für das Kompliment. Selbstverständlich berichtet auch der SWR über den Dokumentarfilm, den er selbst produziert hat. Näheres dazu finden Sie z.B. hier:
https://www.swr.de/swr2/musik-klassik/bloss-keine-fragen-zum-kleid-sigrid-faltin-ueber-ihren-anne-sophie-mutter-film-vivace-100.html

Dienstag, 21.März, 20:24 Uhr

Mheins569@gmail.com

KLASSIK FILM VON ANNE SOPHIE MUTTER

Traumhaft vielen Dank an alle Mitwirkendem

Dienstag, 21.März, 14:13 Uhr

Theodor

Die Interviews mit Mutter...

...fand ich immer schon schwer erträglich, alles so gekünstelt und unecht. Jetzt auch noch Geld dafür ausgeben, um das stundenlang im Kino zu "genießen"? Nein danke.

Lustig, dass Mutter wie viele affluente Frauen ihrer Altersgruppe ein Federer-Fan ist (konnte man 2019 bei der Niederlage im Wimbledon gegen Djokovic beobachten, wie deren Gesichter von Selbstgefälligkeit zu Verzweiflung umschlugen).

Mit Barenboim hat sie meines Wissens nie eine Aufnahme gemacht. Warum jetzt so ein Auftritt?

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