Die Sonaten für Violine und Cembalo gehören zu Bachs besten Werken, mit denen er das Tor zur Zukunft weit aufstieß. Die Neueinspielung mit Isabelle Faust und Kristian Bezuidenhout hat das Zeug zur Referenzaufnahme.
Bildquelle: © Harmonia mundi
Schlank, schnörkellos, klar, dabei aber auch sanglich, empfindsam, anrührend - Isabelle Faust gehört zu den besten Geigerinnen der Gegenwart. Freundlich im Ton, präzise in der Sache, spielt sie moderne Komponisten wie Berg, Bartók oder Elliot Carter genauso stilsicher wie Mozart oder Mendelssohn im Originalklang. Nun hat sie, zusammen mit Kristian Bezuidenhout, Bachs Sonaten für Violine und Cembalo eingespielt, und auch diese Doppel-CD ist ein großer Wurf.
Obwohl diese sechs Sonaten nicht so populär sind wie die Stücke für Violine solo, gehören sie zu Bachs besten Werken. Über Jahrzehnte hinweg hat sich der Thomaskantor mit ihnen befasst, hat daran gefeilt und getüftelt, Rhythmen verändert, sogar ganze Sätze ausgetauscht und die Stücke immer wieder bei sich zuhause aufgeführt. Jede Sonate ist anders, ihr Einfallsreichtum nur mit der Vielfalt der Brandenburgischen Konzerten vergleichbar. Da wechseln volkstümliche Themen und strenge Fugen, schmerzliche Trauer und überströmendes Glück, lineare Dreistimmigkeit und aufregend moderne Klangflächen.
Ganz nebenbei hat Bach mit diesem Zyklus auch noch die klassische Violinsonate erfunden, wie wir sie eigentlich erst seit Mozart oder Beethoven kennen. Doch schon Bach befreit das Cembalo aus dem Korsett des Generalbasses und macht es erstmals zum ebenbürtigen Partner der Geige. Kristian Bezuidenhout spielt die Kopie eines mitteldeutschen Instruments mit warmem, vollem Klang und breitem Farbspektrum. Für den südafrikanischen Hammerklavier-Spezialisten ist es die erste Cembalo-CD überhaupt, und wie er diese Gräbner-Kopie auf Anhieb zum Singen bringt, grenzt an Magie.
Gerade die langsamen Sätze üben bei Faust und Bezuidenhout eine fast hypnotische Wirkung aus. Gebannt lauscht man ihren intensiven, innigen Zwiegesprächen, bei denen jeder auf den anderen hört, sich in sein Gegenüber einfühlt, darauf reagiert. Bei den schnellen Sätzen dagegen gerät man manchmal fast selbst außer Atem, so sportlich klingen diese - und dabei doch so transparent und so traumwandlerisch sicher im Zusammenspiel. Mag sein, dass nicht jeder Ton auf der Jacobus-Stainer-Geige makellos clean gelingt. Immer aber wirken die Klangrede organisch, die Tempi flexibel, die Verzierungen selbstverständlich. Selten bekommt Bachs Musik so viel Raum zum Atmen. Isabelle Faust und Kristian Bezuidenhout setzen mit dieser Aufnahme Maßstäbe - und verschaffen uns Hörern anderthalb Stunden voller Glücksmomente.
Johann Sebastian Bach
Isabelle Faust (Violine), Kristian Bezuidenhout (Cembalo)
Label: Harmonia mundi
Sendungsthema aus "Tafel-Confect" vom 4. März 2018, 12.05 Uhr auf BR-KLASSIK