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Album der Woche – Jerusalem Quartet Streichquartette von Schostakowitsch

Das Jerusalem Quartet zählt seit Jahrzehnten zu den bedeutenden Kammermusikensembles der Welt, weithin bewundert für seine Homogenität und Klangschönheit. Mit den Streichquartetten von Dmitri Schostakowitsch beschäftigen sich die vier langem, schon 2012 erschien eine erste Schostakowitsch-Veröffentlichung. Jetzt legt das Jerusalem Quartet mit drei weiteren Schostakowitsch-Quartetten nach.

CD-COver: Das Jerusalem Quartet spielt Schostakowitsch | Bildquelle: BIS

Bildquelle: BIS

Fünfzehn Sinfonien hat der russische Komponist Dmitri Schostakowitsch geschrieben – und fünfzehn Streichquartette. Die lassen sich als eine Art intimes Tagebuch beschreiben. Sie sind so etwas wie das ins Innere, ins Persönliche gewandte Pendant zu den Sinfonien, die naturgemäß für das breite Publikum bestimmt waren. In den Quartetten, die weit weniger im grellen Licht der Öffentlichkeit standen, musste Schostakowitsch keine Kompromisse eingehen, keine Rücksicht nehmen, nicht auf sowjetische Kulturbonzen, nicht auf den mächtigen Komponistenverband, nicht auf den allgegenwärtigen politischen Druck. Die fünfzehn Werke sind ein Spiegel seiner Seele, offenbaren viele Facetten seines Charakters, seine Nervosität, seinen abgründigen Humor und Sarkasmus, seine Ängste, aber auch den Glauben an Schönheit und Menschlichkeit.

Tonschönheit gepaart mit Furor

Das 1996 gegründete Jerusalem Quartet beschäftigt sich seit Jahrzehnten mit dem Schostakowitsch-Zyklus. Die vier Israelis halten ihn für einen der bedeutendsten im 20. Jahrhundert und haben die Quartette vielfach zyklisch aufgeführt. Das ist auch dem jüngsten Schostakowitsch-Album des Ensembles anzuhören. Enorme Tonschönheit paart sich mit wildem Furor und unbedingter, existentieller Dringlichkeit. So muss man Musik spielen, die von Leid, Trauer und Angst erzählt, die einen dabei nie ohne Trost und Hoffnung lässt. Musik, die so vielleicht nur unter dem Druck einer grausamen Diktatur entstehen konnte und auch deshalb so zeitlose Gültigkeit besitzt.

Nächtlicher Spuk

Wie ein böser nächtlicher Spuk wirkt der dritte Satz des zweiten Streichquartetts, auch wenn Schostakowitsch ihn mit Valse überschrieben hat. Das gesamte Quartett hat etwas Fiebriges, unheilvoll Getriebenes. Auch dem Finale, dessen melancholisch schönes Hauptthema der jüdischen Volksmusik entliehen sein könnte, verleiht Schostakowitsch rasch einen unguten, gehetzten Unterton.

Diese Streichquartette erzählen Geschichten, und nicht immer sind es angenehm erbauliche. Sie sind beunruhigend, berichten von einer Welt, die aus den Fugen zu geraten droht – oder es vielleicht schon ist. In der es sich aber immer noch lohnt, zu kämpfen, und sei es mit Musik. Mit Tönen, die so wunderbar klingen wie die des Jerusalem Quartet.

Infos zur CD

Dmitri Schostakowitsch
Streichquartette Nr. 2, 7 und 10

Jerusalem Quartet

Label: BIS

Sendung: "Piazza" am 15. Februar 2025 um 08:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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