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Album der Woche – Mao Fujita "72 Préludes" Die ganze Welt in 24 Nussschalen

Seinen Durchbruch hatte der heute 25-jährige Starpianist Mao Fujita 2019 beim Tschaikowsky-Wettbewerb in Moskau. Fujita ist längst auf den großen Bühnen der Welt zuhause. Und er liebt dicke Alben. Seine erste Veröffentlichung war eine Gesamtaufnahme aller Mozart-Sonaten. Gerade ist Fujitas zweites Album erschienen. Es heißt: 72 Préludes. Zu hören darauf: die berühmten 24 Préludes von Chopin, ergänzt um ähnliche Sammlungen von zwei weiteren Komponisten.

CD-Cover: Mao Fujita – 72 Préludes | Bildquelle: Sony Classical

Bildquelle: Sony Classical

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Er hat monumentale Sonaten geschrieben, raumgreifende Balladen und Scherzi – aber keines seiner großformatigen Werke zeigt so viel von der Welt und vom Leben wie diese Serie von Mini-Stücken. Die meisten der 24 Préludes von Frédéric Chopin sind sozusagen schneller vorbei als sie angefangen haben. Manche dauern nur 40 Sekunden, die meisten eineinhalb Minuten – und nur ein einziges, das berühmte "Regentropfen"-Prélude, kommt immerhin auf die Länge eines Popsongs. In diesen bunt durcheinandergewürfelten Miniaturen steckt eigentlich alles drin, was Menschen fühlen und erleben können: Wut, Zärtlichkeit, Melancholie, Aggression, träumerisches Wegdriften und euphorisches Glück.

Chopin ähnlich strukturiert wie Bach

Der Eindruck, dass hier völlig unvorhersehbar krass kontrastierende Stimmungen und Formen völlig willkürlich aufeinanderfolgen, täuscht allerdings. Denn Chopin liebte zwar als Romantiker das Bruchstückhafte, weil es viel mehr als das Ausführliche die Fantasie anregt. Er liebte aber auch Johann Sebastian Bach. Und der war ein methodischer Kopf. Wie im "Wohltemperierten Klavier" von Bach geht auch Chopin systematisch durch alle 12 Dur- und Moll-Tonarten. Nur dass Bach Präludien und Fugen schreibt. Chopin lässt die Fugen weg – diese Form wäre ihm zu streng gewesen. In einem Präludium dagegen kann quasi alles passieren. Es lebe die Fantasie!

Zwischen Fantasie und Disziplin

Wörtlich heißt Präludium oder Prélude "Vorspiel". Und solche Vorspiele waren früher in der Regel improvisiert. So müssen Chopins Préludes auch klingen: Als würden sie im Moment des Spielens erst entstehen, quasi unter den Fingern hervorquellen. Und genau so spielt sie der japanische Pianist Mao Fujita. Frei, sprechend, spontan – aber nie egozentrisch. Fujita balanciert schlafwandlerisch sicher auf dem schmalen Grat zwischen Fantasie und Disziplin, den Chopins Musik vorzeichnet.

Préludes des Japaners Akio Yashiro

Fujita ist 25 Jahre alt, geboren in Tokyo, lebt in Berlin. Aus seiner japanischen Heimat hat er ein Werk mitgebracht, das auch viele Klavierfreaks überraschen dürfte. Die 24 Préludes des japanischen Komponisten Akio Yashiro. 1945 schrieb der mit nur 15 Jahren ebenfalls 24 Préludes in allen 12 Dur- und Molltonarten, natürlich inspiriert von Chopin. Eine echte Entdeckung. Dieses erstaunlich frühreife Werk eines Teenagers kombiniert sehr reizvoll westliche Romantik mit Einflüssen der traditionellen japanischen Musik und einem Schuss Modernismus.

Skrjabins kreative Antwort auf Chopin

Damit nicht genug. Auf dem Cover steht stolz: 72 Préludes. Die dritte Sammlung von 24 Préludes, ebenfalls eine kreative Antwort auf Chopin, stammt von dem russischen Spätromantiker Alexander Skrjabin. Dreimal 24 macht 72. Dieses Album ist ein schöner Beweis dafür, dass Bruchstücke die Fantasie wecken. Als hätte Chopin mit seinen Miniaturen mit beiden Händen Samenkörner ausgestreut. Die Ernte bringt dieses schöne Album ein.

Infos zur CD

Mao Fujita – 72 Preludes
Kompositionen von Frédéric Chopin, Alexander Skrjabin und Akio Yashiro

Mao Fujita

Label: Sony


Sendung: "Piazza" am 21. September 2024 ab 8.05 Uhr auf BR-KLASSIK

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