Es ist sein letztes Werk: Wolfgang Amadeus Mozarts "Requiem" ist von Legenden umwoben. Hatte er Todesahnungen? Wer war der geheimnisvolle Bote, der es in Auftrag gab? Der katalanische Dirigent Jordi Savall hat gerade eine Neueinspielung veröffentlicht – eine unglaublich kraftvolle Interpretation.
Bildquelle: Alia Vox
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Sein "Requiem" konnte er nicht mehr vollenden. Am 5. Dezember 1791 starb Mozart mit nur 35 Jahren. Bei seiner Totenfeier wurden Ausschnitte aus dem unfertigen Werk gesungen. Gleich nach der Bestattung (übrigens in einem ganz normalen Grab, Armengrab stimmt nicht) begann die Legendenbildung. Mozart sei vergiftet worden. Er habe von seinem nahenden Tod gewusst. Ergo habe er das Requiem für sich selbst geschrieben!
Dabei braucht‘s eigentlich keine Dichtung, die historischen Fakten sind kurios genug. Mozart schrieb das Requiem im Auftrag eines gewissen Grafen Walsegg. Der wollte anonym bleiben und schickte deshalb einen Boten (laut Legende war er "schwarz gekleidet", wie gruselig). Tatsächlich wusste Mozart also nicht, für wen er komponierte und wer ihn da bezahlte. Dieser etwas wunderliche Graf Walsegg war Hobbykomponist und offenbar ziemlich eitel. Mehrfach gab er anonym Werke bei professionellen Komponisten in Auftrag, die er dann auf seinem Landgut ohne Angabe des Urhebers aufführen ließ. Offenbar hatten es Seine Erlaucht darauf abgesehen, dass die Untergebenen dachten, er, der Herr Graf, habe das selbst komponiert und sei nur zu bescheiden, seinen Namen zu nennen. Damit nicht genug der Schummeleien. Mozarts Witwe Constanze brauchte verständlicherweise dringend, sehr dringend Geld. Deshalb bat sie Mozarts Schüler, das unvollendete Werk zu ergänzen. Und damit sich das opus besser verkaufte, tat sie gegenüber Verlegern so, als habe ihr verstorbener Mann alles selbst komponiert.
Dieses Album hat gefehlt, weil...
...es eine der schönsten Einspielungen der Aufnahmegeschichte ist.
Dieses Album klingt gut, weil...
...die Raumakustik exzellent eingefangen ist.
Dieses Album wird lieben, wer ...
... Mozarts Musik in ihrer ganzen Kraft und existenziellen Dringlichkeit erfahren möchte.
Die Wahrheit ist nicht selten spannender als die Legende. Das gilt nicht nur für die Entstehungsgeschichte. Auch Mozarts Musik braucht keine wabernde Mystik, keine Bedeutungshuberei und kein falsches Pathos. Dem katalonischen Dirigenten Jordi Savall ist mit seiner Capella Nacional de Catalunya und dem auf Originalinstrumenten spielenden Concert des Nations eine unglaublich kraftvolle Interpretation gelungen. Eine der schönsten, die ich kenne. Sehr straight, absolut unsentimental, aber hoch emotional. Leidenschaftlich und streng zugleich. Mit zupackenden, pulsierenden Tempi, aber nie motorisch, sondern immer sehr körperlich, atmend, mitreißend. Und dank der herausragenden Solisten immer wieder auch tief berührend. Anders als manche Originalklang-Dirigenten verwechselt Savall Durchsichtigkeit nicht mit blutleerem Gesäusel. Sein Chor erzählt drastisch von Höllenqualen und Erlösung, sein Orchester spielt, je nachdem, mit Zärtlichkeit und mit Verve. Dabei absolut klar und direkt. Eine herausragende Aufnahme.
Wolfgang Amadeus Mozart:
Requiem KV 626
Capella Nacional de Catalunya
Le concert des nations
Leitung: Jordi Savall
Label: Alia Vox
Sendung: "Piazza" am 1. Juli 2023 ab 8:05 Uhr auf BR-KLASSIK