Drei Debüts in nur einem Monat: die Berliner Philharmoniker, das Los Angeles Philharmonic und dann noch die Metropolitan Opera. Das sind auch für eine so bühnenerfahrene Dirigentin wie Joana Mallwitz außergewöhnliche Momente. Im Interview mit Carola Malter spricht sie über das New Yorker Publikum und ihre Herzensoper "Le nozze di Figaro".
Bildquelle: Co Merz
BR-KLASSIK: Als Sie Ihre Partitur vor Ihrem Debüt auf das Pult im Orchestergraben der Metropolitan Opera gelegt haben, hatten Sie da einen erhöhten Puls? Oder den Gedanken, angekommen zu sein – in dem vielleicht bedeutendsten Opernhaus dieser Welt?
Joana Mallwitz: Um ehrlich zu sein, ist der Moment, wenn man da auf dem Pult steht, nie der Moment, in dem man über solche Dinge nachdenken kann. Es sind zwei Sachen für mich: Zum einen ist es natürlich eine riesige Freude und Ehre, an diesem Haus arbeiten zu dürfen, mit diesen wunderbaren Musikern, diesem fantastischen Orchester und einer ganz tollen Besetzung. Auf diesem Niveau einsteigen zu dürfen und an den Details zu proben, ist großartig.
Und gleichzeitig ist es besonders für mich, weil es "Le nozze di Figaro" von Mozart ist. Das ist eine der allerersten Opern, die ich damals in Heidelberg mit 19 Jahren an dem kleinen Stadttheater einstudiert habe. Die Oper wurde dort jedes Jahr als Repertoirestück gespielt. Ich habe dirigiert und auch am Cembalo gesessen, um die Rezitative zu begleiten, immer und immer wieder. Seitdem habe ich szenische Produktionen an verschiedenen Häusern machen dürfen. Dieses Werk ist mir so geliebt wie vertraut und damit jetzt hier in New York zu stehen, gibt mir auch ein bisschen das Gefühl, nach Hause zu kommen. Nur eben an einem anderen Ort.
Nach fünf Jahren am Pult des Nürnberger Staatstheaters ist Joana Mallwitz 2023 dem Ruf nach Berlin gefolgt. Davon erzählt der Dokumentarfilm "Momentum".
BR-KLASSIK: Sie haben "Figaros Hochzeit" in Heidelberg oft dirigiert. Es war auch Ihre letzte Premiere als GMD in Nürnberg, kurz vor ihrem Wechsel nach Berlin ans Konzerthaus. Was ist das für ein Abenteuer, diesen Intrigen und Verwirrungen in Mozarts Oper immer wieder neu nachzuspüren und zum Leben zu erwecken?
Joana Mallwitz hat "Le nozze di Figaro" zum ersten Mal mit 19 einstudiert. | Bildquelle: Nikolaij Lund
Joana Mallwitz: Der "Figaro" ist einfach von einer unerhörten Schnelligkeit. Nicht nur, wie schnell musikalische Impulse hin und her springen, sondern auch die Handlung. Was passiert, ist wahnsinnig kompliziert. Und welche der Personen weiß wann eigentlich was? Und wer flüstert wem was zu? Und wer heckt schon den nächsten Plan aus? Das hat einfach ein irrsinniges Tempo und ist Dramatik auf engstem Raum. Deshalb ist es eben ein solches Meisterwerk. Es ist einfach das beste Stück. Ich kann es gar nicht anders sagen. Man sagt ja, dass man auch bei Meisterwerken immer wieder neue Dinge entdeckt. Und hier beim Figaro ist es tatsächlich in jedem Detail so. Es gibt kaum ein Werk, das ich so gut kenne. Und dennoch finde ich jedes Mal wieder ein kleines Detail, eine Zwischenstimme, irgendeinen Begleitton, über den ich vorher noch nicht nachgedacht habe und der in der Vorstellung Riesenspaß macht. Natürlich entstehen diese Dinge auch mit anderen Menschen auf der Bühne, sodass sich eine Szene oder eine Phrase plötzlich ganz anders darstellt, als man sie so kannte.
Dieses Werk gibt mir das Gefühl, nach Hause zu kommen.
BR-KLASSIK: Sie haben eben schon gesagt, dass in der Oper "Le nozze di Figaro" sozusagen jeder gegen jeden kämpft. Das hört man auch in der Musik. Wie gelingt es denn, dass man da den Überblick behält, was die Stimmen angeht?
Joana Mallwitz: Vor allem liegt das an dem Wunder "Oper". Und daran, wie Mozart für das gesamte Ensemble schreibt. Nehmen wir zum Beispiel mal das große Finale vom zweiten Akt, in dem die ganze Zeit sehr viele Leute auf der Bühne sind und auch gleichzeitig singen. Beim Sprechen würden wir es nie verstehen, wenn vier Leute durcheinanderquatschen. Aber dadurch, dass es eben auf diese meisterhafte Weise in Musik gesetzt ist, kann man das mitverfolgen und in diesem irrwitzigen Tempo jede einzelne Person auf der Bühne verstehen und begreifen, was gerade ihre inneren Regungen sind. Das ist eben dieses Wunder, was nur in der Oper und ehrlich gesagt auch nur bei Mozart so funktioniert.
BR-KLASSIK: Gibt es Ihrerseits eine Vorstellung, wie man Mozart heute spielen sollte? Sicherlich ganz anders als in den 80er-Jahren ein Herbert von Karajan.
Joana Mallwitz dirigiert 2025 zum ersten Mal an der Metropolitan Opera in New York. | Bildquelle: dpa-Bildfunk/Hannes P Albert
Joana Mallwitz: Es gibt nicht die eine Antwort darauf. In den letzten Jahrzehnten wurde ja immer mehr dazu geforscht, wie es eigentlich zu Mozarts Zeit geklungen haben könnte. Auf der einen Seite wissen wir immer mehr darüber, wie sich die Instrumente damals verhalten haben und wie die Akustik war, wie gesungen wurde und mit welchen Sängern Mozart zusammengearbeitet hat. Gleichzeitig werden wir das niemals so reproduzieren können, weil wir heute einfach ganz andere Ohren haben. Wir sind andere Geräuschkulissen und andere Musik gewöhnt. Wir tanzen zu anderen Tänzen als Mozart damals. Das heißt, es wird ohnehin nie das Gleiche sein. Ich finde in Aufnahmen von großen Dirigenten aus allen Zeiten immer wieder etwas, wo ich denke, das ist so genau richtig. Aber natürlich ist es immer nur genau richtig für diesen speziellen Ort. Als Dirigentin kann ich da keine absolute Entscheidung treffen. Meine ganz persönliche Herangehensweise ist bei Mozart, immer die Verbindung zu suchen, zwischen diesem musikantischen, dem kammermusikalischen und diesem temporeichen Ton.
BR-KLASSIK sendet am Samstag, den 26. April 2025, um 20:03 Uhr Mozarts Oper "Le nozze di Figaro" aus der Metropolitan Opera in New York. Joana Mallwitz dirigiert den Metropolitan Opera Chorus und das Metropolitan Opera Orchestra.
BR-KLASSIK: Bei diesem Lustspiel von Mozart gerät der Boden ja oft ins Wanken. Schwarz und Weiß lassen sich nie so ganz genau voneinander trennen. Haben Sie eine Person in dieser Geschichte, die Sie ganz besonders berührt?
Joana Mallwitz: Ich kann niemand einzelnen rausnehmen, weil es auf allen Seiten diese magischen Momente gibt. Ich würde vielleicht sagen, dass die Gräfin mit ihrer ganzen Art und Haltung dem gesamten Stück die Fallhöhe verleiht. Die Gräfin ist diejenige, durch deren Filter wir sehen, worum es eigentlich geht. Es geht um verlorene Liebe, um verlorene Jugend. Es geht um echte Gefühle und um die Kraft, die uns als Menschen ausmacht. Die Gräfin hat diese aufrechte Haltung und sie blickt der Welt sozusagen in die Augen. Das gibt den Aktionen der anderen Personen nochmal eine andere Dimension.
Es geht um echte Gefühle.
BR-KLASSIK: Sie sind in vielen Häusern auf dieser Welt unterwegs. Ist das New Yorker Publikum ein besonderes?
Joana Mallwitz: Es ist schon ein besonderes. Allein schon, weil der Saal so riesig ist. Man kann gar nicht so richtig verstehen, wie viele Menschen das sind. Aber man hört es, wenn der ganze Saal vor Lachen bebt. Dieses Stück ist ja auch eine unglaubliche Komödie. Es gibt so viele Stellen, wo alle im Saal sich vor Lachen schütteln. Das ist schon ein unglaubliches Geräusch, muss ich sagen. Und ein unglaubliches Gefühl, da zu sein. Man fühlt sich eigentlich wie eine riesige Familie, die auf dem Sofa sitzt, um sich eine coole Show anzugucken. Stattdessen sitzt man aber in der Metropolitan Opera und schaut sich eine Oper an. Das ist schon ein tolles Gemeinschaftsgefühl.
Sendung: "Allegro" am 25. April 2025 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK
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