Wann immer in den letzten Monaten über die Neubesetzung prominenter Chefpositionen diskutiert wurde, war meist schnell auch der Name von Dirigent Klaus Mäkelä im Gespräch. Den Zuschlag bekamen letzten Endes das Concertgebouw Orkest Amsterdam und das Chicago Symphony Orchestra, deren Leitung der finnische Shooting-Star jeweils zu Beginn der Saison 2027/2028 übernehmen wird. Aktuell ist Mäkeläs künstlerisch Heimat allerdings noch in Paris, sowie bei den Osloer Philharmonikern, mit denen der 28-Jährige nun ein Schostakowitsch-Album vorlegt.
Bildquelle: Decca
Die Musik von Dmitri Schostakowitsch zieht sich wie ein roter Faden durch die noch junge Karriere von Klaus Mäkelä. Und die Wertschätzung, die er dem Komponisten entgegenbringt, ist vor allem in der Neueinspielung der Vierten Symphonie zu spüren, die Mäkelä in seiner Neueinspielung mit den stets klar und präzise agierenden Osloer Philharmonikern akribisch durchleuchtet. Jenes Werk, das Schostakowitsch selbst nach dem berüchtigten Schmähartikel in der "Prawda" zurückgezogen hatte. "Chaos statt Musik" war dort im Januar 1934 nach der kontroversen Uraufführung seiner Oper "Lady Macbeth von Mzensk" zu lesen und Schostakowitsch ins Visier des Stalin-Regimes geraten. Und weil die groß instrumentierte Symphonie einen ähnlich radikalen Weg einschlug, schlummerte die Partitur gut ein Vierteljahrhundert in der Schublade, ehe sie endlich vor Publikum erklingen durfte.
Es sind gerade die surrealistisch anmutenden Momente der Vierten, in denen Mäkelä mit seinem hoch motivierten Orchester Schicht um Schicht in der Partitur freilegt und mit einem sehr nordisch anmutenden Humor Details in den Bläserstimmen herausarbeitet. Bei aller Gründlichkeit dürfte er die Zügel aber gerne hin und wieder auch ein wenig lockerer nehmen und die Musik manchmal noch etwas mehr laufen lassen.
Hoch konzentriert und kontrolliert präsentiert sich ebenfalls die als bewusste Gegenposition angelegte Fünfte Symphonie. Wobei sie unter Mäkeläs Stabführung keineswegs nur als Kniefall vor dem Regime daherkommt, sondern gerade im Finale deutlich spüren lässt, dass es sich hierbei um einen erzwungenen Jubel handelt.
Klaus Mäkelä gehört zu jenen Dirigenten, die nicht nur die Partitur selbst genau studieren. Ebenso intensiv setzt er sich mit den Lesarten berühmter Vorgänger und Vorbilder auseinander. Was die Symphonien von Schostakowitsch betrifft, fallen da in seinen einführenden Worten etwa die Namen von Leonard Bernstein oder Mariss Jansons, vor allem aber der von Jewgeni Mrawinskij, dem langjährigen Freund und künstlerischen Wegbegleiter des Komponisten, der unter anderem auch die Fünfte und die Sechste im damaligen Leningrad aus der Taufe gehoben hatte und dessen Einspielungen vielen nach wie vor als Referenz gelten.
Einflüsse seiner dirigentischen Idole lassen sich in Klaus Mäkeläs Neueinspielung durchaus immer wieder heraushören. Jedoch ohne dass seine Interpretation dadurch an Individualität verlieren würde. Gerade die ebenso kurze wie knackige Sechste überzeugt bei ihm mit einer selten gehörten Frische und Vitalität und ist weit mehr als nur eine Synthese seiner Vorgänger. Sollte dieses symphonische Trio also tatsächlich den Auftakt zu einem kompletten Zyklus markieren, darf man mehr als gespannt sein, wohin Mäkeläs Reise wohl noch führen wird.
Dmitrij Schostakowitsch:
Symphonie Nr. 4 c-Moll, op. 43
Symphonie Nr. 5 d-Moll, op. 47
Symphonie Nr. 6 h-Moll, op. 54
Oslo Philharmonic
Leitung: Klaus Mäkelä
Label: DECCA
Sendung: "Allegro" am 17. August 2024 ab 8.05 Uhr auf BR-KLASSIK
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