Schon als Kind spielte Théotime Langlois de Swarte Geige, nicht ungewöhnlich für den Spross einer musikalischen Familie. Etwas ungewöhnlich, dass es gleich die Barockgeige war – und dass Théotime sich in die Barockmusik verliebte. Besonders Vivaldis "Vier Jahreszeiten" begeisterten ihn und tun es bis heute. Mit dem Orchestre Le Consort hat der inzwischen vielfach ausgezeichnete junge Franzose sie jetzt bei harmonia mundi vorgelegt.
Bildquelle: Harmonia Mundi
Album der Woche
Théotime Langlois de Swarte spielt Vivaldi
Wer die gefühlt tausendste Einspielung von Vivaldis Vier Jahreszeiten vorlegt, muss etwas Besonderes zu sagen haben. Théotime Langlois de Swarte hat. Der noch nicht dreißigjährige französische Geiger spielt Vivaldi nicht nur mit der von heutigen Aufnahmen fast schon erwartbaren Rasanz und Virtuosität. De Swarte möchte die vier Konzerte vom Geruch der Oberflächlichkeit befreien, ihnen so etwas wie ihren Ernst zurückgeben, sie von der Ebene der zu Tode gegeigten Klassikhits holen. Le quattro stagioni seien, wie er schreibt, eine Kindheitsliebe. Sie hätten ihn zur Geige, speziell zur Barockgeige gebracht. Für de Swarte haben die Vier Jahreszeiten etwas – bei ihm auch hörbar – Tiefgründiges.
De Swarte sieht Vivaldis Jahreszeiten als Sinnbild unserer Existenz von der Geburt, dem Frühling in E-Dur bis zum Tod, dem Winter in f-Moll. Für ihn nehmen uns die vier Konzerte mit auf eine metaphysische Reise, erhalten so eine spirituelle Dimension, die sich eben auch aus der Abfolge der Tonarten ergibt. De Swarte baut Vivaldis Tonartensymbolik noch aus, indem er den Jahreszeiten-Zyklus klug durch andere Kompositionen des Italieners ergänzt. Dazu gehört neben Konzerten eine von Julie Roset berückend gesungene Arie aus der Vivaldi-Motette 'Nulla in mundo pax sincera' – es gibt keinen echten Frieden auf der Welt.
Daneben findet sich auf dem Doppel-Album Musik, die Vivaldi als Quelle gedient haben könnte: volkstümliche Tänze des wohl aus Venedig stammenden Tanzmeisters Gregorio Lambranzi, ein Zeitgenosse Vivaldis. Der dürfte die Tänze gekannt haben, jedenfalls glaubt de Swarte ihre Spuren in den Jahreszeiten zu entdecken. Man muss seiner Deutung nicht bis in jede Verästelung folgen. Wichtiger ist, dass er auf der Basis seiner Überlegungen mit dem Ensemble Orchestre Le Consort eine brillante und äußerst klangschöne Interpretation des vielgespielten Zyklus gestaltet. Vivaldi war weit mehr als der oberflächliche Virtuose, der – wie Strawinsky abschätzig bemerkt hat – vierhundert Mal dasselbe Konzert komponierte. De Swartes Aufnahme regt dazu an, neu über den Venezianer nachzudenken.
Antonio Vivaldi:
"Le quattro stagioni" ("Die vier Jahreszeiten")
Orchestre Le Consort
Leitung und Violine: Théotime Langlois de Swarte
Label: Harmonia Mundi
Sendung: "Piazza" am 18. Januar 2025 ab 8.05 Uhr auf BR-KLASSIK
Kommentare (0)